Hat Mannose eine pharmakologische Wirkung? Sind entsprechende Präparate also als Arzneimittel einzustufen und keine Medizinprodukte? Über diese Fragen wird seit vielen Jahren vor Gericht gestritten. Der Fall ist vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gelandet. Die Richter:innen kamen heute zu dem Schluss, dass bei Mannose von einem Stoff mit pharmakologischer Wirkung auszugehen ist.
Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) war gegen den Vertrieb von Femannose (Mannose, Cranberry-Extrakt) vorgegangen. Das Präparat ist zur Vorbeugung und unterstützenden Behandlung von Blasenentzündungen und Infektionen der Harnwege auf dem Markt. D-Mannose als Einfachzucker wird vom Körper nicht verstoffwechselt und soll an die Härchen der Harnwegsentzündungen auslösenden E-Coli-Bakterien binden, diese ummanteln und so neutralisieren. In der Folge können sich die pathogenen Keime nicht an den Schleimhäuten festsetzen und werden beim Wasserlassen hinausgespült.
Klosterfrau hat seit 2017 mit Femannose N (Mannose) ein Präparat „zur Prävention und unterstützenden Behandlung von Zystitis (Blasenentzündung) sowie anderen Harnwegsinfekten“ auf dem Markt und hält es unverändert für ein rechtmäßig zertifiziertes Medizinprodukt. Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage vor: „Handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung, wenn D-Mannose durch eine im Wege von Wasserstoffbrücken vermittelte reversible Bindung an Bakterien verhindert, dass sich die Bakterien an der Blasenwand binden?
Heute ist die Entscheidung gefallen:
Zuvor hatte sich auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens nach dem Landgericht Köln (LG) auch das Oberlandesgericht Köln (OLG) intensiv mit den Mechanismen von Mannose auseinandergesetzt: Durch Blockade des bakteriellen Adhäsins FimH blockiert Mannose demnach die Bindung der Bakterien an die Zellmembran, insoweit werde in die physiologischen Abläufe des Bakteriums und in die pathophysiologischen Abläufe der Harnwegsinfektion eingegriffen und Beginn beziehungsweise Fortschreiten der Entzündung der Harnwege gehemmt. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass der klinische Stellenwert für Therapie und Prävention mangels ausreichender Datenlage unklar bleibe, so das OLG.
Die Entscheidung des EuGH überrascht nicht, denn die Richter in Luxemburg hatten vor einigen Jahren im Zusammenhang mit Mundspüllösungen entschieden, dass eine pharmakologische Wirkung auch dann vorliegt, wenn eine Substanz mit irgendeinem zellulären Bestandteil im Körper des Anwenders interagiert – also etwa auf Bakterien, Viren oder Parasiten einwirkt.
Jetzt geht der Fall zurück zum BGH, der dann eine Entscheidung treffen muss.