Ein Wirkstoff, zwei Arzneimittel: MSD Sharp & Dohme hat die EU-Zulassung für Doravirin sowohl als Mono- als auch als Kombinationspräparat erhalten. Der nicht-nukleoidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) wird zur Behandlung von HIV-1-Infektionen angewendet. Die Markteinführung für das erste Halbjahr 2019 geplant.
NNRTI wie Doravirin sind nicht-kompetitive Hemmer der reversen Transkriptase. Anders als beim „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ der Nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) verändern die NNRTI die Bindungsstelle so, dass die katalytische Funktion der reversen Transkriptase unterbunden wird und sich das Virus nicht vermehren kann. Das Überschreiben der viralen RNA in DNA bleibt aus.
Doravirin soll als Monopräparat unter dem Namen Pifeltro zu 100 mg auf den Markt kommen. Die Einnahme erfolgt einmal täglich – mit oder ohne Mahlzeit. Pifeltro wird in Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen zur Behandlung von HIV-1-Infektionen angewendet. Indiziert ist der Arzneistoffen zur Therapie von erwachsenen Patienten unabhängig vom Nachweis von Resistenzen gegen die Substanzklasse. In den USA ist der Arzneistoff bereits seit einigen Monaten für zuvor nicht therapierte erwachsene Patienten zugelassen.
MSD hat außerdem die EU-Zulassung für das Single-Tablet-Regime Delstrigo erhalten. Die Kombination aus Doravirin (DOR,100 mg), Lamivudin (3TC, 300 mg) und Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF, 245 mg) wird ebenfalls einmal täglich eingenommen. 3TC und TDF gehören ebenfalls zur Gruppe der NRTI und bewirken einen DNA-Kettenabbruch. Oral kommt TDF bei etwa 70 bis 80 Prozent der HIV-Patienten zum Einsatz. Der Wirkstoff ist Bestandteil des individuellen Therapieregimes der antiretroviralen Therapie. Das wohl bekannteste Kombinationspräparat mit Emtricitabin ist das inzwischen generische Truvada (Gildead). Delstrigo ist zugelassen für die Behandlung einer HIV-1-Infektion bei erwachsenen Patienten.
Im Fachmagazin „The Lancet“ wurden die Ergebnisse der Studie „Drive-Forward“ zu Wirksamkeit und Sicherheit von Doravirin veröffentlicht. Die Studie mit 766 zuvor unbehandelten Probanden verglich den neuen NNRTI (385 Teilnehmer) mit durch Ritonavir zu 100 mg geboostertem Darunavir zu 800 mg (384 Teilnehmer). Komplettiert wurde die antiretrovirale Therapie (ART) mit der Kombination Tenofovir/Emtricitabin oder Abacavir/Lamivudin. In Woche 48 erreichten 321 Probanden (84 Prozent) der Doravirin-Gruppe und 306 (80 Prozent) der Darunavir-Gruppe eine Plasma-HIV-1-RNA von weniger als 50 Kopien. Somit ist Doravirin Darunavir in puncto Wirksamkeit nicht unterlegen. Auch in Bezug auf die unerwünschten Arzneimittelwirkungen ergaben sich kaum Unterschiede.
Studien zeigen, dass Doravirin bekannten Vertretern der Substanzklasse wie Efavirenz überlegen ist. Die Studie Drive-Ahead verglich beide NNRTI. Die therapienaiven 728 Probanden wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder die Fixkombination aus DOR 100 mg, 3TC 300 mg und TDF 300 mg oder Efavirenz (EFV) 600 mg, Emtricitabin 200 mg und TDF 300 mg über einen Zeitraum von 96 Wochen. In Woche 48 erreichten etwa 84 Prozent der DOR-Gruppe weniger als 50 HIV-1-RNA-Kopien, in der Vergleichsgruppe um EFV waren es etwa 81 Prozent. Zudem zeigten sich weniger neuropsychiatrische Nebenwirkungen wie beispielsweise Schwindel, Depressionen oder Schlafstörungen und für DOR ein günstigeres Lipidprofil.
Doravirin geht mit Protonenpumpenhemmern keine Wechselwirkung ein. Wurde eine Gabe vergessen, sollte diese nachgeholt werden – es sei denn, der Zeitpunkt für die nächste Einnahme ist fast erreicht, dann ist die vergessene Dosis auszulassen. Wird der Wirkstoff mit Rifabutin eingenommen, ist eine Dosisanpassung erforderlich und je eine Tablette Pifeltro zweimal täglich im Abstand von zwölf Stunden zu schlucken.
APOTHEKE ADHOC Debatte