Rund 10 Prozent der Patienten mit Multipler Sklerose (MS) sind von unkontrollierten Gefühlsausbrüchen betroffen, meist hemmungsloses Lachen oder Weinen. Die Symptome treten auch infolge anderer neurologischer Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sowie nach Gehirnverletzungen auf. Die Ursache ist unklar. Zur Behandlung der sogenannten pseudobulbären Affektstörung (PBA) soll jetzt das erste Arzneimittel zugelassen werden: Nuedexta enthält den Hustenstiller Dextromethorphan und das Malariamittel Chinidin.
Dextromethorphan war in den 1940er-Jahren im Auftrag von US-Militär und -Geheimdienst als Hustenmittel mit geringem Abhängigkeitspotenzial entwickelt worden. Als Antagonist an NMDA-Rezeptoren senkt das Opioid die exzitatorische Aktivität, als Agonist am Sigma-1-Rezeptor wird außerdem die Freisetzung anderer erregender Neurotransmitter reduziert.
Vor allem bei verminderter Aktivität des Enzyms CYP2D6 sind zentrale Nebenwirkungen bekannt. Daher werden 30 mg des Wirkstoffs mit 10 mg Chinidin kombiniert. Das Malariamittel wirkt als CYP2D6-Inhibitor und soll den Abbau verhindern und so zu therapeutischen Dosen von Dextromethorphan im zentralen Nervensystem führen.
1999 wurde der Einsatz bei PBA von Dr. Richard Smith vom Center for Neurologic Study der Universität Kalifornien in San Diego entdeckt und an Avanir auslizensiert. In einer Studie mit knapp 330 MS- und ALS-Patienten mit PBA sank die Zahl der Episoden unter Nuedexta um knapp die Hälfte gegenüber Placebo. Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen gehören Herzrhythmusstörungen, Verwirrtheit, Durchfall, Blähungen, Erbrechen, Erkältungssymptome, Harnwegsinfektionen und erhöhte Leberwerte.
In den USA ist das Präparat seit Februar 2011 zugelassen. Nach der Zulassung durch die EU-Kommission will Avanir Nuedexta in Europa flächendeckend auf den Markt bringen. Findet sich bis dahin kein geeigneter Partner, sollen zunächst in Eigenregie die Schlüsselmärkte erschlossen werden. Auch der Einsatz bei MS-Schmerzen sowie bei Angstzuständen in Zusammenhang mit Alzheimer wird untersucht.
APOTHEKE ADHOC Debatte