Die Meinungen über Homöopathika gehen weit auseinander: Während die einen die Präparate fast schon für Betrug halten, schwören andere auf die sanfte Alternative. Tatsache ist: Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, zu denen auch Phytopharmaka und anthroposophische Mittel gehören, wirken zum Teil anders als Medikamente der Schulmedizin. Sie haben es daher schwer, wenn sie ihre Evidenz nachweisen müssen. Das ist besonders dann kritisch, wenn es um die Erstattungsfähigkeit geht.
Homöopathika sind – wie alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel – grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Im Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Sonderfälle geregelt: Demnach können in die OTC-Ausnahmeliste Präparate aufgenommen werden, „die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten“.
Als Therapiestandard gilt ein Medikament laut Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), „wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht“.
Die Vorgabe sieht Mathias Hevert, Geschäftsführer von Hevert-Arzneimittel, als K.o.-Kriterium: „Meines Erachtens können homöopathische Arzneimittel nie Therapiestandard in der Schulmedizin sein, weil sie aus einem anderen Therapiesystem kommen.“ Eine sehr verbreitete und sinnvolle Therapieoption könnten sie dort jedoch darstellen. Darauf stelle Gesetzgeber aber nicht ab, sodass er aus Heverts Sicht „damit die besonderen Therapierichtungen in der Erstattung grundsätzlich diskriminiert“.
Im SGB V ist auch geregelt, dass der G-BA bei der Bewertung von Arzneimitteln, die ausnahmsweise erstattet werden, „der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen“ hat. Außerdem heißt es: „Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.“
Auch in der Richtlinie des G-BA über die Verordnung von Arzneimitteln gibt es eine Klausel für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, die festlegt, dass diese Medikamente nicht von der Versorgung ausgeschlossen sind. Bei der Beurteilung muss der besonderen Wirkungsweise der Medikamente Rechnung getragen werden.
Heel hatte auf diese vermeintlichen Erleichterungen für Homöopathika gesetzt und versucht, die beiden Produkte Vertigoheel und Zeel in die OTC-Ausnahmeliste zu bringen. Damit scheiterte der Hersteller allerdings am Bundessozialgericht (BSG). Die Richter entschieden, dass an Homöopathika die gleichen Anforderungen gestellt werden müssen, die auch für allopathische Arzneimittel gelten. Die Vorgabe, „der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen“, habe nur zur Folge, dass Arzneimittel dieser Therapierichtung nicht von vornherein ausgeschlossen sein dürften.
Bei Heel war man überrascht von der Entscheidung: Man habe unter anderem klinische Studien der höchsten Evidenz eingereicht und gleichzeitig auf den Sonderstatus für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen gesetzt, so Armin Jacoby, Leiter des Heel-Gesundheitsmanagements. Es bleibe daher die Frage: „Was müssen Homöopathika eigentlich noch leisten?“
Zwar liegen die Urteilsgründe noch nicht vor. Doch bei Heel rechnet man nicht mit neuen Erkenntnissen. Denn das BSG habe gar keine eigene Einschätzung zu den beiden Produkten vorgenommen, sondern sich auf den G-BA bezogen, der die Präparate nicht als Therapiestandard bewertete. Aus Sicht von Jacoby ist das ein Problem für die Erstattungsfähigkeit homöopathischer Arzneimittel. Denn wissenschaftliche Studien und eine hohe Akzeptanz bei den Ärzten widersprächen diesem Urteil.
Über die Aufnahme in die OTC-Ausnahmeliste wird seit Jahren gestritten. Hersteller, aber auch Patienten haben versucht, den Anspruch einzuklagen – meist ohne Erfolg. Bislang haben es nur Ginkgo und Mistel auf die Liste geschafft. Allerdings übernehmen mittlerweile viele Kassen bestimmte OTC-Medikamente als Satzungsleistung, darunter Homöopathika und pflanzliche Präparate.
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