Rhinosinusitis

Erkältungsmittel: Das sagt der Kinderarzt

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Berlin -

In Deutschland existiert momentan keine aktuelle Leitlinie zum Thema „akute Infektionen der oberen Atemwege“. Die Behandlungsempfehlung für Rhinosinusitis aus dem Jahr 2011 befindet sich in Überarbeitung. APOTHEKE ADHOC sprach mit Professor Dr. Markus Rose vom Leipziger St. Georg Klinikum, der an der Neufassung beteiligt ist. Der Arzt für Kinder- und Jugendmedizin hatte zuletzt in einer Übersichtsarbeit vor allem die Optionen für Säuglinge und Kleinkinder unter die Lupe genommen.

Kinder erleiden im Durchschnitt sechs bis acht Erkältungsepisoden pro Jahr, bei Erwachsenen sind es nur halb so viele. Empfehlungen zur Selbstmedikation sind für Eltern also besonders wichtig, die Studienlage ist aus ethischen Gründen jedoch dünn. Hier muss oft auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden, da eine Übertragung der Dosis auf Basis des Körpergewichts nicht ohne Weiteres möglich ist. Pharmakokinetik und –dynamik weichen bei Kindern stark ab.

Aus der Praxis berichtet Rose, es gebe oft regelrechte Vergiftungen durch die Überdosierung von abschwellenden Nasentropfen bei Kleinkindern. Der Experte empfiehlt eine Anwendungsdauer von maximal vier Tagen, da sonst die Nährstoffversorgung der Nasenschleimhaut beeinträchtigt werde. Das liege am vasokonstriktiven Effekt der Alpha-Sympathomimetika, welcher die Blutzufuhr zur Schleimhaut verringere.

Auch Sekreto- und Mukolytika seien ungeachtet ihres grundsätzlichen Nutzens bei jungen Kindern nicht ungefährlich. So komme es bei Anwendung von Wirkstoffen wie N-Acetylcystein (NAC) oder Ambroxol teilweise zu schweren respiratorischen Komplikationen, weil der Bronchialschleim stark an Volumen zunehme. Säuglinge und Kleinkinder könnten buchstäblich am eigenen Bronchialsekret ersticken. In Frankreich sind Zubereitungen mit NAC unter zwei Jahren kontraindiziert, in Deutschland wird eine ärztliche Nutzen-Risiko-Abwägung vorausgesetzt.

Das Risiko für derartige Nebenwirkungen sei noch erhöht, wenn eine Infektion mit dem Respiratory Syncytial Virus (RSV) vorliege. Dieses Virus erschwert den Kindern durch eine Atembeeinträchtigung das Trinken. Gerade eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sei jedoch essentiell, damit Bronchialschleim verflüssigt und abtransportiert werden könne, so Rose. Meist sei eine Befeuchtung der Atemwege und viel Trinken daher ausreichend.

Auch Homöopathika sieht der Kinderarzt kritisch. Bei flüssigen homöopathischen Zubereitungen sei vor allem auf den Alkoholgehalt zu achten. Nicht selten gebe es Fälle von Alkoholvergiftungen bei kleinen Kindern, die aus einer Überdosierung entsprechender Mittel resultierten.

Ätherische Einreibmittel zeigten zwar in klinischen Studien benefitäre Effekte, könnten jedoch Atemwegsreizungen oder sogar einen Bronchospasmen auslösen. Auch ätherische Öle aus Aromaverdampfern seien hiervon nicht ausgenommen. Verschlucken oder Aspirieren des reinen ätherischen Öls könne sogar eine bedrohliche Pneumonitis verursachen.Detail

Im vergangenen Juni hatte Rose den Artikel „Ganzheitliche Therapieoptionen bei akuten Atemwegsinfekten“ in der Fachzeitschrift „Der Pneumologe“ publiziert. Die Übersichtsarbeit ging auf die Erkältungsbeschwerden von Kindern, aber auch Erwachsenen ein. Insgesamt wurden 20 Therapiemöglichkeiten auf wissenschaftliche Plausibilität überprüft; Grundlage bildeten vor allem die Ergebnisse von Cochrane-Reviews. Das Ergebnis: Nur für sechs Optionen konnten positive Effekte belegt werden. Rose räumte jedoch ein, dass eine evidenzbasierte Überprüfung von Erkältungsmitteln methodisch aufwendig sei. Dies liege vor allem an der Komplexität der relevanten klinischen Parameter.

In der Arbeit wurde folgenden Therapieoptionen ein Effekt zugesprochen: Zink-Präparaten, Antiphlogistika, Kombinationen aus Antihistaminika und Dekongestiva, intranasales Ipratropium, Probiotika und Honig. Der Evidenzgrad variiert jedoch. Diese Empfehlungen stehen im Gegensatz zur Meinung von Experten wie Professor Dr. Gerd Glaeske, der bei Erkältungen lediglich ein abschwellendes Nasenspray, ein Schmerzmittel und ein Halsschmerzmittel empfiehlt. Kombinationspräparate werden generell kontrovers diskutiert, die Datenlage zu ganzheitlichen Verfahren ist schwierig.

Dass ein Antihistaminikum bei einer Erkältung helfe, hält Rose für unwahrscheinlich. Er räumt ein, dass ein Antihistaminikum eher für allergieassoziierte Rhinitiden geeignet sei, beispielsweise bei einer sogenannten „Sommergrippe“. Trotzdem favorisierten die untersuchten Cochrane-Reviews eine Kombination von Dekongestiva mit Antihistaminika (Rhinopront, ReactineDuo) gegenüber einer derjenigen mit Antiphlogistika (BoxaGrippal, Aspirin complex), so Rose. Letztere führten häufiger zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Überraschend ist auch die Empfehlung von intranasalem Ipratropium (OtrivenDuo). Die Substanz ist generell verschreibungspflichtig und ruft signifikant mehr Nasenbluten hervor. Für die OTC-Beratung ist diese Variante also irrelevant, allenfalls für COPD-Patienten könnte sie laut Rose von Nutzen sein.

Honig wirkt sich laut Studie bei Kindern positiv auf einen nächtlichen Hustenreiz aus, sofern er vor dem Schlafengehen gegeben wird. Vorsicht sei allerdings bei Säuglingen geboten, da kaltgeschleuderter und Bio-Honig einen sogenannten Säuglingsbotulismus auslösen könnten.

Generell empfiehlt Rose eine gute (Hände-)Hygiene. Zunächst solle auf Hausmittel zurückgegriffen werden, bevor Arzneimittel eingesetzt würden. Welche seiner Empfehlungen in die neue Leitlinie eingehen werden, bleibt offen.

Die AWMF-Leitlinie „Rhinosinusitis“ wird unter der Federführung von Professor Dr. Boris Stuck von der Deutschen Gesellschaft für Hals- Nasen- & Ohrenheilkunde und unter Mitwirkung zahlreicher anderer Fachgesellschaften ausgearbeitet, darunter Allgemeinmedizin, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Allergologie sowie Kinder- und Jugendmedizin. Sie durchläuft derzeit den finalen Überarbeitungsprozess. Mit einer Veröffentlichung wird im Laufe des Jahres gerechnet.

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