Rote-Hand-Brief

Erhöhtes Tumorrisko durch synthetisches Gestagen Katharina Brand, 09.10.2024 13:23 Uhr

Es besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Meningeomen bei hohen Dosen von Medroxyprogesteronacetat (MPA) ab 100 mg, insbesondere bei längerer Anwendung. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die Zulassungsinhaber von Medroxyprogesteronacetat-haltigen Arzneimitteln weisen in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf ein erhöhtes Risiko für Meningeome hin. Dies besteht bei Dosen ab 100 Milligramm Medroxyprogesteronacetat (MPA), insbesondere bei längerer Anwendung. Patientinnen, die hochdosiert behandelt werden, sollten regelmäßig auf Symptome eines Meningeoms überwacht werden.

Hohe Dosen von MPA ab 100 mg erhöhen das Risiko, ein Meningeom zu entwickeln, einen meist gutartigen Tumor der Hirnhäute, der neurologische Symptome wie Druck auf das Gehirn oder Rückenmark hervorrufen kann. Zu den häufigsten Symptomen gehören Sehveränderungen, Hörverlust, Kopfschmerzen und Krampfanfälle.

Meningeome sind die häufigsten primären Hirntumoren bei Erwachsenen und machen etwa 15 bis 20 Prozent aller intrakraniellen Tumoren aus, wobei sie vor allem bei Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren vorkommen. Die genauen Ursachen sind unbekannt und könnten genetische Faktoren, hormonale Einflüsse und Strahlenexposition umfassen. Patientinnen, die langfristig hochdosiert behandelt werden, sollten regelmäßig auf Anzeichen eines Meningeoms überwacht werden.

Bei der Anwendung zur Empfängnisverhütung oder bei nicht-onkologischen Indikationen ist MPA bei Patientinnen mit einem Meningeom oder entsprechender Vorgeschichte kontraindiziert. Wird während der Behandlung ein Meningeom diagnostiziert, muss die Therapie abgebrochen werden. Bei onkologischen Indikationen sollte in einem solchen Fall die Fortsetzung der Behandlung sorgfältig abgewogen werden.

Absolute Risiken insgesamt gering

Eine französische Fall-Kontroll-Studie hat einen Zusammenhang zwischen MPA und Meningeomen aufgezeigt. In der Analyse, die Daten des nationalen Gesundheitssystems einbezog, wurden 18.061 Frauen mit Meningeomen und 90.305 Kontrollpersonen untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass 0,05 Prozent der erkrankten Frauen MPA (150 mg/3 ml) verwendeten, verglichen mit 0,01 Prozent in der Kontrollgruppe. Das relative Risiko für Meningeome betrug bei diesen Frauen 5,55, was darauf hinweist, dass sie 5,55-mal häufiger an Meningeomen erkrankten als Frauen, die das Medikament nicht einnahmen. Insbesondere bei einer Anwendungsdauer von drei Jahren oder mehr war das Risiko erhöht, während die absoluten Risiken insgesamt gering blieben.

Aktuell wurden keine neuen Sicherheitsbedenken bezüglich des Meningeomrisikos bei der Anwendung von niedrig dosiertem MPA unter 100 mg und Kombinationsprodukten, die den Wirkstoff enthalten, festgestellt. Daher gelten die Empfehlungen nicht für diese niedrig dosierten Darreichungsformen zum Einnehmen. Die Produktinformationen aller relevanten MPA-haltigen Arzneimittel werden aktualisiert, und „Meningeom“ wird als Nebenwirkung mit der Häufigkeit „nicht bekannt“ hinzugefügt.

Zum Wirkstoff

MPA ist ein synthetisches Gestagen, das in der Hormontherapie verwendet wird und ähnliche Wirkungen wie das natürliche Progesteron hat. Es reguliert den Menstruationszyklus, hemmt den Eisprung und fördert die Umwandlung der Gebärmutterschleimhaut. Der Wirkstoff wird häufig zur Empfängnisverhütung eingesetzt (Depo-Provera, Pfizer) sowie zur Behandlung von Menstruationsstörungen und Endometriose.

Es kann auch zur Behandlung bestimmter Krebsarten, wie Endometriumkarzinom, eingesetzt werden. MPA ist in Form von Injektionen erhältlich, die alle drei Monate verabreicht werden, oder als Tabletten für kurzfristige Anwendungen. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Veränderungen im Menstruationszyklus, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen. Die Anwendung sollte stets unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.