Schlagkräftige neue Wirkstoffe für den lange aussichtslosen Kampf gegen Parasiten – dafür wurde in diesem Jahr der Nobelpreis für Medizin zuerkannt. Malaria und entstellende Wurm-Krankheiten haben dank der Substanzen viel von ihrem Schrecken verloren.
Für schlagkräftige neue Wirkstoffe gegen Parasiten-Krankheiten wie Malaria erhalten drei Forscher in diesem Jahr den Medizin-Nobelpreis. Eine Hälfte des mit umgerechnet 850.000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotierten Preises geht an die Chinesin Youyou Tu für die Entdeckung eines Wirkstoffes gegen Malaria. Die zweite Hälfte der weltweit höchsten Auszeichnung für Mediziner teilen sich der gebürtige Ire William Campbell und der Japaner Satoshi Omura für die Entdeckung einer unter anderem gegen Würmer und Milben wirkenden Substanz. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm mit. Die Wirkstoffe retten millionfach Leben – vor allem von Menschen in armen Ländern.
„Nach Jahrzehnten begrenzten Fortschritts bei der Entwicklung haltbarer Therapien für Parasiten-Krankheiten haben die Entdeckungen der diesjährigen Preisträger die Situation radikal verändert“, lobte das Nobel-Komitee. Die Entdeckung von Artemisinin und Avermectin habe der Menschheit kraftvolle Mittel geliefert, verheerende Krankheiten zu bekämpfen, die Hunderte Millionen Menschen jährlich beträfen. „Die Wirkung in Form einer verbesserten menschlichen Gesundheit und verminderten Leidens sind unermesslich.“
Von Parasiten verursachte Krankheiten träfen vor allem die ärmsten Menschen der Welt, hieß es in der Mitteilung weiter. „Die diesjährigen Nobelpreisträger haben Therapien entwickelt, die die Behandlung einiger der verheerendsten Parasiten-Krankheiten revolutioniert haben.“ Die Zahl solcher Infektionen sei dramatisch reduziert worden, sagte Nobeljuror Hans Forssberg. Die Wirkung gehe aber weit darüber hinaus, die Last Einzelner zu verringern: „Die Behandlung hilft ihnen, der Armut zu entkommen.“
Campbell (85) und Omura (80) hatten beim Bakterium Streptomyces avermitilis einen neuen Wirkstoff gegen Parasiten entdeckt: das Avermectin. „Ich dachte ‚Darf ich es wirklich sein!?’“, sagte Omura nach der Bekanntgabe dem japanischen Fernsehsender NHK. „Denn vieles habe ich ja von den Mikroorganismen gelernt. Es wäre angemessen, wenn man ihnen den Preis verleihen könnte.“
Omura hatte Anfang der 70er Jahre aus Bodenproben Streptomyces-Arten isoliert und im Labor kultiviert. Campbell hatte auf der Suche nach neuen antibiotisch wirksamen Substanzen mit diesen Kulturen gearbeitet und war dabei auf die Avermectine gestoßen. Diese Neurotoxine lähmen Fadenwürmer (Nematoden), Milben und Zecken und führen zu ihrem Tod. Beim Menschen findet vor allem Ivermectin Verwendung, ein Gemisch zweier halbsynthetischer Avermectine. Ivermectin hat die Häufigkeit von Flussblindheit und lymphatischer Filariose extrem vermindert.
Die in den tropischen Gebieten Afrikas und Amerikas vorkommende Flussblindheit wird vom Fadenwurm Onchocerca volvulus verursacht. Auch bei lymphatischer Filariose sind bestimmte Fadenwürmer die Ursache. Sie besiedeln das Lymphsystem und führen zum Lymphstau in einzelnen Körperteilen, die sich in der Folge extrem vergrößern können (Elephantiasis). Betroffen sind vor allem Menschen in Entwicklungsländern. „Die Behandlung (mit Ivermectin) ist so erfolgreich, dass diese Krankheiten am Rand der Ausmerzung stehen, was eine große Meisterleistung in der Medizingeschichte der Menschheit wäre“, hieß es vom Nobel-Komitee.
Youyou Tu (84) entdeckte bei Testreihen mit Pflanzenstoffen das Potenzial des Artemisinins, einer in der traditionellen chinesischen Medizin verwendeten Substanz aus Blättern und Blüten des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua). Sie wirkt gegen Plasmodium falciparum, den Erreger der Malaria tropica. Die Sterblichkeitsrate Malariakranker ließ sich damit deutlich reduzieren.
„Artemisinin ist das am häufigsten genutzte Medikament gegen Malaria“, sagte Elena Levashina vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin. Es habe das Leben von Millionen Menschen verändert und sei ein Durchbruch bei der Bekämpfung von Malaria gewesen. Allein für Afrika bedeute Artemisinin mehr als 100.000 gerettete Leben jährlich, erläuterte das Nobel-Komitee.
Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Nobelpreises benannt. Die feierliche Überreichung findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
Im vergangenen Jahr erhielten das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O'Keefe (USA/Großbritannien) die Auszeichnung für die Entdeckung eines Navis im Hirn: Sie fanden grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns.
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