Fehlbildungsrisiko

Epilepsie und Schwangerschaft – Kombitherapien untersucht

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Berlin -

Wenn Frauen, die unter Epilepsie leiden, schwanger werden, sind einige Arzneistoffe weniger gut zur Behandlung der Grunderkrankung geeignet. Insbesondere der Wirkstoff Valproinsäure kann Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung des Ungeborenen haben. Eine populationsbasierte Registerstudie soll weiterführende Erkenntnisse zum Einsatz von Antiepileptika in der Schwangerschaft bringen.

Das Absetzen einer bestehenden Medikation aufgrund des Eintretens einer Schwangerschaft kann mit einem erhöhten Risiko für Krampfanfälle verbunden sein. Diese Anfälle stellen dann sowohl für die werdende Mutter als auch für das ungeborene Kind ein Risiko dar. Viele Frauen sind seit dem Bekanntwerden des Fehlbildungsrisikos von Valproinsäure verunsichert. Die Studienlage zu möglichen Kombinationstherapien ist gleichzeitig unzureichend. Eine großangelegte populationsbasierte Registerstudie soll Möglichkeiten und Grenzen von Kombinationstherapien bei Epilepsie während der Schwangerschaft aufzeigen. Innerhalb der Scan-Aed-Studie werden Registerdaten aus verschiedenen Ländern herangezogen. Es können Daten von rund 4,5 Millionen Mutter-Kind-Paaren ausgewertet werden. Veröffentlicht wurde die Studie in JAMA Neurology.

Zur Erinnerung: Valproat kann bei Neugeborenen zu Geburtsschäden, zu einem erhöhten Risiko für Autismus, geistiger oder körperlicher Behinderung führen. 2019 hatte Frankreichs Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen Sanofi wegen des umstrittenen Antiepileptikums Depakine (Valproinsäure) eingeleitet. 2020 folgte ein Informationsbrief seitens des Herstellers. Ebenfalls 2020 wurden in einer nationalen Kohorten-Studie in Frankreich die potenziellen Folgen einer pränatalen Exposition gegenüber antiepileptischen Arzneistoffen untersucht. Grundlage der Studie waren Daten der nationalen Gesundheitsversicherung, in der rund drei Viertel der Bevölkerung versichert sind. Insgesamt wurden Daten von 9000 Kindern ausgewertet. Alle waren einer pränatalen Exposition mit einem der folgenden antiepileptischen Wirkstoffe ausgesetzt: Lamotrigin, Pregabalin, Clonazepam, Valproinsäure, Levetiracetam, Carbamazepin, Topiramat, Gabapentin und Oxcarbazepin. Nur Valproinsäure war mit einem erhöhten Risiko für einen der genannten Endpunkte assoziiert. Kombinationstherapien wurden nicht speziell berücksichtigt. Übrigens: Sanofi hat beim umstrittenen Epilepsiemedikament Depakine einem Pariser Gericht zufolge seine Informationspflicht verletzt. Bereits ab 1984 hätte Sanofi eine Änderung des Beipackzettels erwirken sollen, um klare und präzise Informationen entsprechend des aktuellen Wissenschaftsstands zu geben, teilte das Gericht Anfang des Jahres mit.

Die nun durch skandinavische Universitäten initiierte Studie mit mehr als 4,5 Millionen Datensätzen untersucht die Wirkung von Kombinationstherapien auf die Entwicklung des Kindes nach der Geburt. Im Fokus standen dabei Autismus-Spektrum-Störungen (ASDs) und intellektuelle Beeinträchtigungen (IDs). Fehlbildungen wurden nicht untersucht.

Valproat wieder auffällig

Valproat zeigte sich wieder auffällig: 2,7 Prozent der Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft Valproat einnahmen, erhielten später die Diagnose ASD. 2,4 Prozent erhielten die Diagnose ID. Bei Topiramat zeigten sich noch höhere Werte. So wurden bei 4,3 Prozent der Kinder, insofern die Mutter während der Schwangerschaft Topiramat einnahm, später ASD und 3,1 Prozent der Kinder ID diagnostiziert.

Bei 2,3 Prozent der Kinder von Müttern, die während der neun Monate keine Antiepileptika einnahmen, zeigte sich später eine der untersuchten neurologischen Entwicklungsstörungen. 1,5 Prozent erhielten die Diagnose ASD und 0,8 Prozent die Diagnose ID.

Als Kombinationen wurden Topiramat mit Lamotrigin, Levetiracetam mit Carbamazepin und Levetiracetam mit Lamotrigin untersucht. Bei der Kombination aus Topiramat und Lamotrigin betrug die kumulative Inzidenz im Alter von acht Jahren 7,5 Prozent (aHR 3,5, 95 Prozent-KI: 1,5 bis 8,2) und bei der Kombination von Levetiracetam und Carbamazepin 5,7 Prozent (aHR 2,4, 95 Prozent-KI: 1,1 bis 4,9). Die Kombination aus Levetiracetam und Lamotrigin blieb unauffällig und zeigte kein erhöhtes Risiko.

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