Demenzerkrankungen

Enzyme machen Hirn träge dpa/APOTHEKE ADHOC, 03.05.2012 14:55 Uhr

Berlin - 

Die sogenannte Epigenetik spielt eine immer größere Rolle bei der Behandlung genetisch bedingter Erkrankungen: Auch zur Behandlung der Alzheimer-Erkrankung werden verschiedene Therapieansätze erforscht, die auf Chromosomen einwirken und so die Genexpression beeinflussen.

„Lange Zeit wusste man nicht genau, wie das Gehirn seine Plastizität verliert“, sagt der Neurowissenschaftler Professor Dr. André Fischer. Am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Göttingen erforscht er das Zusammenspiel von Umwelt und Genom mit Blick auf den Verlust des Lernvermögens im Alter.„Heute glauben wir, dass epigenetische Prozesse ursächlich dafür sind.“

Im jungen Alter lernt das Gehirn problemlos und speichert eine Fülle von Anreizen. „Das Chromatin, eine Art Rückgrat der DNA, öffnet sich dabei und Lernen findet statt.“ Mit fortschreitendem Alter aber funktioniert dies nicht mehr: „Reduzierter Stoffwechsel und verschiedenste Umwelteinflüsse sind Gründe dafür“, sagt Fischer.

 

 

Eine wichtige Rolle für die Plastizität dieses Chromatin-Gerüsts spielen Enzyme aus der Familie der Histondeacetylasen (HDAC). Diese hemmen letztlich das Anschalten von bestimmten Genen, die neuronale Funktionen steuern. Bei der Alzheimer-Erkrankung spielen vor allem die sogenannten Histondeacetylasen 2 eine Rolle: Inhibiert man das Enzym HDAC2, so kommt der Lernprozess wieder in Gang – im Mausversuch erbrachte dies ähnlich gute Wirkungen wie „Hirnjogging“.

Der abgestellte Schalter für das Lernen-Können wäre durch HDAC-Hemmer möglicherweise wieder umzulegen, hofft Fischer. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die sogenannte microRNA, die ebenfalls wie ein Schalter für die Protein-Produktion funktioniert. Ein Zuviel einer bestimmten microRNA (miRNA 34c) beispielsweise wirkt wie eine Lernblockade.

„Wir wissen heute: Alzheimer ist nicht Alzheimer. Hierfür müssen wir individuelle Marker finden, an denen wir künftige Therapien individuell ausrichten. Bei dieser personalisierten Medizin lernen wir viel aus der Krebsforschung“, sagt Fischer.

Von der Entdeckung der HDAC-Enzyme bis zur Zulassung von HDAC-Hemmern zur Behandlung bestimmter Krebsformen habe es nur etwa zehn Jahre gedauert, so Fischer. So ist in den USA seit Oktober 2006 das Mittel Zolinza (Vorinostat) des Pharmakonzerns Merck Sharp & Dohme (MSD) als Histondeacetylase-Inhibitor auf dem Markt. Beim Einsatz von microRNA-Markern in der Krebstherapie sei man ebenfalls schon recht weit, berichtet Fischer. Wann es bei Alzheimer so weit sein könnte, sei aber schwer vorhersagbar.