Atopische Dermatitis

„Emollienzien plus“: Bewusstsein für Basistherapie schärfen Cynthia Möthrath, 22.10.2019 14:37 Uhr

Berlin - 

Bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis – häufig auch als atopische Dermatitis bezeichnet – ist die tägliche Basispflege extrem wichtig und seit Inkrafttreten der neuen Leitlinie 2018 auch fester Bestandteil in der Therapieempfehlung. Die Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) verweist in ihrer Stellungnahme ebenfalls auf die Verwendung von „Emollienzien plus“. Pierre Fabre hat einige dieser Formulierungen auf dem Markt, im nächsten Jahr folgen weitere Produktneuheiten.

Die atopische Dermatitis ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die durch wiederkehrende Schübe mit starkem Juckreiz gekennzeichnet ist. Bis zu einem Fünftel der Bevölkerung in westlichen Industrieländern ist betroffen: Bei Kindern sind das rund 10 bis 20 Prozent, bei den Erwachsenen immerhin noch 2,1 bis 4,9 Prozent. Die Prävalenz hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt.

Seit 2018 gibt es eine neue europäische Leitlinie für die Behandlung der Neurodermitis: Einen großen Stellenwert nimmt die Basistherapie ein; sie wird in allen Stufen der atopischen Dermatitis empfohlen. Wer unter einer leichten Form leidet, soll zusätzlich mit antiseptischen Wirkstoffen, topischen Glukokortikoiden der Klasse 1 und 2 und/oder Calcineurinhemmern behandelt werden. Mittelschwere Fälle können zur Basistherapie mit topischen Kortikoiden der Klasse 2 und 3 und/oder Calcineurinhemmern therapiert werden. Bei schweren oder anhaltenden Ekzemen kann eine systemische Therapie mit Cyclosporin A oder einem monoklonalen Antikörper wie Dupilumab notwendig sein.

Grundsätzlich beruht die therapeutische Strategie auf der Wiederherstellung der veränderten Hautbarriere, der Kontrolle von Entzündungen und Superinfektionen. Dazu müsse der „Worst Case“ umgekehrt werden, erklärt Apotheker Dr. Dominic Kram. Bei akut entzündlichen Prozessen seien wasserhaltige Produkte zu bevorzugen, bei chronischen Verläufen eher lipidreiche Formulierungen. Wichtig sei zudem die Vermeidung von Triggerfaktoren und Kratzen.

 

Emollienzien sind traditionell frei von aktiven Wirkstoffen und besitzen lediglich rückfettende Eigenschaften. Seit 2018 wird erstmals eine neue Kategorie in der Basistherapie empfohlen – die sogenannten „Emollienzien plus“. Diese enthalten aktive Wirksubstanzen ohne Arzneimittelstatus. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Behandlung der atopischen Dermatitis, da bei richtiger Anwendung die Schubintensität und der Bedarf an topischen Steroiden verringert werden kann, erklärt Kram. Die Apotheke müsse dem Patienten die Wichtigkeit der täglichen Basistherapie bewusst machen, erklärt er. Für eine richtige und regelmäßige Anwendung werden große Mengen an Pflegeprodukt benötigt: Kinder benötigten für eine Ganzkörper-Basistherapie rund 100 g Pflegeprodukt pro Woche, bei Erwachsenen seien es sogar rund 500 g.

Häufig werde bei einer Stabilisierung des akuten Schubs die medikamentöse Therapie mit topischen Wirkstoffen abgesetzt. Für den Remissionserhalt könne es jedoch sinnvoll sein, zu der dauerhaften täglichen Behandlung mit Emollienzien alle zwei Tage weiter mit topischen Kortikosteroiden oder Calcineurin-Inhibitoren zu behandeln. Diese „proaktive Therapie“ sei vor allem für Patienten mit häufigen Ausbrüchen an denselben Körperstellen geeignet, um eine möglichst lange Symptomfreiheit zu erreichen, erklärt Kram.

Die GD hat im Juni eine Stellungnahme zur Basistherapie bei Neurodermitis herausgegeben. Bis dato lagen keine offiziellen Beratungsempfehlungen in Bezug auf die Basistherapie vor. Die Stellungnahme soll als Entscheidungshilfe für die Auswahl eines geeigneten Produkts dienen. Die GD verweist in ihrer Stellungnahme darauf, topische Basistherapeutika bereits von Geburt an zu verwenden. Bei prädisponierten Säuglingen könne so die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Neurodermitis um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Empfohlen werden in der Leitlinie im Bereich Emollienzien plus drei aktive Wirkstoffe: Saponine, Flavonoide und Riboflavin aus proteinfreiem Haferextrakt sowie Bakterienlysate aus Aquaphilus dolomiae oder Vitreoscilla filiformis.

Pierre Fabre hat zwei Emollienzien plus auf dem Markt: Aderma Exomega Control enthält den empfohlenen Rhealba-Junghaferextrakt. Die enthaltenen Saponine wirken immunregulierend, Flavonoide antientzündlich. Hervorzuheben ist, dass der Haferextrakt proteinfrei ist, das bedeutet, es kann auch bei Glutenunverträglichkeit und bei Allergikern angewendet werden, erklärt Kram. Das Produkt ist bereits ab der Geburt geeignet. Exomega Control ist in drei galenischen Formulierungen – als Milch, Creme und Balsam – mit unterschiedlichen Lipidgehalten auf dem Markt und zur Primärprävention bei Risikosäuglingen geeignet.

Avène XeraCalm A.D enthält Aquaphilus dolomiae, die Mikroflora des Thermalwassers. Es verbessert Läsionen und beeinflusst das Mikrobiom der Haut positiv: Vor allem der häufig für Schübe verantwortliche Keim Staphylococcus aureus werde nachweislich zurückgedrängt, sagt Kram. Neben Creme und Balsam mit unterschiedlichen Lipidgehalten ist auch ein Reinigungsöl auf dem Markt. Dies sei sinnvoll, um die Haut bei der Reinigung nicht weiter zu strapazieren, erklärt Kram. Generell gelte beim Duschen und Baden: „Nicht zu lange, nicht zu heiß und nicht zu oft.“

Bei Pierre Fabre wird sich 2020 viel tun: Die wirkstofffreie Basispflege Dexeryl erhält ein neues Aussehen sowie eine neue Formulierung. Das Konservierungsmittel Propylparaben und der Spreizstoff Polydimethylcyclosiloxan wurden entfernt, dafür wurden Ethylhexylglycerin und Pentylenglykol zur Konservierung und Sepineo P600 für eine verbesserte Textur zugesetzt, erklärt Dr. Stefanie Häfele, Marketingleiterin Dermatologie bei Pierre Fabre. Glycerin, Paraffin und Vaseline bleiben wie gewohnt enthalten. Die Studienlage für das Medizinprodukt sei klar: Sowohl bei Hauterkrankungen wie der atopischen Dermatitis, Psoriasis und Ichthyose, aber auch bei Diabetes oder Xerose bei farbiger Haut, die oft dicker und anders von der Struktur ist, sei die Pflege geeignet.

Zudem wird es im Januar zwei Neueinführungen geben: Alopexy enthält den bewährten Wirkstoff Minoxidil in einer Konzentration von 5 Prozent zur Behandlung des erblich bedingten Haarausfalls. Im Vergleich zu anderen Produkten soll die Formulierung von Pierre Fabre nicht fettend sein: Grund dafür ist das veränderte Verhältnis von Ethanol und Propylenglykol. Daher kann die Lösung auch morgens aufgetragen werden, ohne ein fettiges Aussehen zu hinterlassen. Dies sei ein enormer Vorteil, da die Zielgruppe immer jünger werde, gibt Häfele zu bedenken. Es handele sich bei dem Produkt also nicht nur um ein Generikum, sondern auch um eine verbesserte Formel.

Ebenfalls im Januar wird das Aderma Cutalgan-Spray gegen Hautschmerzen auf den Markt kommen: Es soll gegen Brennen, Jucken und Stechen auf der Haut helfen und das „Ibuprofen für die Haut“ sein. Das Einsatzgebiet ist sehr groß: Der „Feuerlöscher“ soll sowohl bei Hautverletzungen und nach ästhetischen Eingriffen, aber auch bei Dermatosen wie Neurodermitis, Psoriasis und Rosacea zum Einsatz kommen. Auch bei akuten Erkrankungen wie Gürtelrose oder nach Insektenstichen soll es Linderung bringen. Jeder zweite Patient mit einer Dermatitis leide unter Hautschmerzen, erklärt Häfele. „Das ist nicht zu unterschätzen.“

Das Spray enthält neben dem bekannten Rhealba-Jungpflanzenextrakt eine Pflanze aus der traditionellen Medizin in Peru: Uncaria-tomentosa-Extrakt, aufgrund ihres Aussehens häufig auch als „Katzenkralle“ bezeichnet. Der aus der Rinde der Pflanze gewonnene Extrakt besitzt reizlindernde Eigenschaften durch eine direkte Wirkung auf die Schmerzrezeptoren der Haut. In Studien konnte durch die Anwendung das Schmerzempfinden um die Hälfte reduziert werden. Die Wirkung soll bis zu sechs Stunden anhalten. Geeignet ist das Cutalgan-Spray ab einem Alter von einem Monat. Es kann sowohl am Körper wie auch im Gesicht, auf der Kopfhaut oder im äußeren Intimbereich verwendet werden.