EMA: Pioglitazon wird „Reservemittel“ Patrick Hollstein, 22.07.2011 10:58 Uhr
Positive und negative Experteneinschätzungen zu ein und demselben Arzneimittel müssen kein Widerspruch sein. Dies zeigt sich gerade am Beispiel des Antidiabetikums Actos (Pioglitazon) des japanischen Pharmakonzerns Takeda: Mitte Juni hatten die Aufsichtsbehörden in Frankreich, Deutschland und Rumänien vor einem erhöhten Blasenkrebsrisiko gewarnt und sogar erste Schritte eingeleitet, um das Präparat vom Markt zu nehmen. Jetzt kommt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zu der Bewertung, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach wie vor positiv ist - zumindest bei Patienten, bei denen es keine Behandlungsalternative gibt.
Einer Metaanalyse zufolge liegt das Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken, unter Pioglitazon bei 0,15 Prozent gegenüber 0,07 Prozent in der Kontrollgruppe. Ärzte sollten daher genau abwägen, wem sie das Antidiabetikum verordnen: Laut EMA steigt das Risiko mit dem Alter, der Dosis und der Anwendungsdauer. Daher sollten keine Patienten mit Pioglitazon behandelt werden, die bereits an Blasenkrebs erkrankt waren, ein erhöhtes Risiko haben oder bei denen Hämaturie ungeklärter Ursache festgestellt wurde. Außerdem sollte die Therapie nach drei bis sechs Monaten ausgewertet und nur bei entsprechendem Erfolg fortgesetzt werden. Der Hersteller muss weitere epidemiologische Studien durchführen.
Laut EMA war es auf der Grundlage der vorliegenden Daten nicht möglich, die bestehenden Indikationen weiter einzuschränken. Das war allerdings auch für die nationalen Behörden kein Thema gewesen: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wollte zuletzt prüfen, ob die Zulassung komplett ruhen gelassen werden muss.
Die Experten in Bonn halten an ihrer kritischen Einschätzung fest und wollen diese auch dokumentieren lassen. Allerdings ist die Diskussion in Deutschland ohnehin von untergeordneter Bedeutung, da Glitazone seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr von den Kassen erstattet werden. Bereits 2008 hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei der Wirkstoffklasse keinen Zusatznutzen festgestellt.