Etwa zwei Monate vor dem geplanten Brexit hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in London ihre Türen geschlossen. Damit gehen Großbritannien nach einem Bericht der Zeitung „The Guardian“ etwa 900 Arbeitsplätze verloren.
Die EU-Behörde verlagert ihren Sitz nach Amsterdam. Der Umzug war wegen des bevorstehenden EU-Austritts nötig. Am Freitagabend wurden die 28 EU-Fahnen eingeholt und Abschiedsreden gehalten. „Das ist ein trauriger Tag für Großbritannien und ein großartiger Tag für die Niederlande“, sagte der Leiter der Wellcome-Stiftung, Jeremy Farrar, zu dem Umzug.
Fast alle Mitarbeiter der EMA ziehen mit ihren Familien in die Niederlande. Sie werden zunächst in einem elf Stockwerke hohen Gebäude im Westen der Stadt arbeiten. Im Auftrag des Staates wird zurzeit im Finanzzentrum der Hauptstadt eine neue Zentrale für die EMA gebaut. Sie soll im November bezugsfertig sein.
Der Mietvertrag der EU-Behörde, die in der Folge des Brexits voraussichtlich Großbritannien verlassen wird, läuft einem Dokument des EU-Parlaments zufolge bis zum Jahr 2039. Bis dahin sei noch eine Miete von insgesamt 347,6 Millionen Euro fällig und der Vertrag enthalte keine Ausstiegsklausel. Das hätten die Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses mit Sorge festgestellt, heißt es in einer Zusammenfassung ihres Prüfberichts. Die Politiker forderten die Behörde auf, weitere Entwicklungen bezüglich des Mietvertrags in London mitzuteilen.
Verschiedene EU-Staaten hatten ihr Interesse bekundet, die EU-Behörde mit einem Jahresbudget von mehr als 300 Millionen Euro bei sich anzusiedeln. Darunter waren Schweden, Österreich, Deutschland und die Niederlande. Amsterdam gehörte von Anfang an zu den Favoriten. Per Losentscheid wurde in der dritten Runde entschieden. Der vorgeschlagene Standort am Flughafen Schiphol wurde als unschlagbar gesehen, immerhin ist hier sogar ein Hotel im Haus. Die Stadt biete die bestmöglichen Voraussetzungen für einen Umzug, wie genügend internationale Schulen für die Kinder der EMA-Mitarbeiter, ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung für ihre Familien und Jobmöglichkeiten in der Region für die Ehepartner. In Umfragen wurden außerdem Kopenhagen, Brüssel, Mailand und Wien hoch gehandelt. Barcelona galt lange als Kandidat Nummer 1, war die spanische Metropole doch bei Gründung vor knapp 35 Jahren London nur knapp unterlegen. Nach dem Katalonien-Streit war sie jedoch aus dem Rennen.
Mit weitreichenden Zugeständnissen versuchten insbesondere die weiter hinten rangierenden Kandidaten, ihre Erfolgsaussichten zu verbessern. Warschau etwa ging mit 25 Jahren Mietfreiheit ins Rennen – wohlwissend, dass dies bei der EMA ein neuralgischer Punkt ist. „Nicht nördlicher als Amsterdam, nicht östlicher als Wien“, soll ein geflügeltes Wort im Zusammenhang mit der EMA gewesen sein. Stockholm galt damit als chancenlos, die osteuropäischen Städte wie Sofia sowieso. Auch Mailand und Lille zählten angesichts der schlechten Erreichbarkeit nicht zu den Favoriten.
Auch Deutschland hatte den Hut in den Ring geworfen und sich im Frühsommer 2017 offiziell mit Bonn als Standort beworben. Ein Hauptargument für den Umzug an den Rhein war das in Bonn ansässige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit rund 1000 Mitarbeitern. Doch die Bewerbung war am Ende chancenlos, Bonn war schon nicht mehr in der engeren Auswahl. Die Bundesregierung hatte sich auch um die Bankenaufsicht beworben.
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