Eisen wirkt mit Pause besser Dr. Kerstin Neumann, 10.11.2015 08:09 Uhr
Die tägliche Eisensubstitution bei Eisenmangelanämie ist möglicherweise nicht effektiv. Das haben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachjournal „Blood“ publiziert. Demnach verhindert das körpereigene Molekül Hepcidin die Aufnahme in den Körper wesentlich länger als bisher gedacht. Eine Eisengabe nur an jedem zweiten Tag könnte nach Ansicht der Wissenschaftler ohne Einbußen bei der Wirksamkeit die Verträglichkeit verbessern.
Nach aktuellen Schätzungen ist etwa ein Drittel der Weltbevölkerung von Anämien betroffen. Eisenmangel spielt dabei vor allem in Industriestaaten eine wichtige Rolle. Bis zu 8 Prozent der Bevölkerung haben trotz ausgewogener Ernährung Defizite. Vor allem jungen Frauen wird häufig zur oralen Einnahme von Eisenpräparaten geraten. Etwa 80 bis 100 mg müssen am Tag eingenommen werden, häufig über mehrere Dosen verteilt.
Diese Praxis könnte sich demnächst ändern. Die Forscher der ETH haben sich die Pharmakokinetik der Eisenaufnahme genauer angeschaut und kamen dabei zu überraschenden Ergebnissen: Insbesondere bei mehrfacher täglicher Gabe nimmt der Anteil an Eisen, der vom Darm in den Körper aufgenommen wird, ab. Erst nach mehr als 24 Stunden sind die physiologischen Bedingungen wieder so hergestellt, dass die ursprüngliche Aufnahmerate wiederhergestellt ist.
Schuld daran ist das Peptid Hepcidin. Seit langem ist bekannt, dass das kleine Molekül die Aufnahme von Eisen in den Körper reguliert: Hepcidin inaktiviert das Transportprotein Ferroportin und verhindert dadurch die Eisenabsorption aus dem Darm. Das ist physiologisch dann sinnvoll, wenn eine Eisenvergiftung droht, aber für die Behandlung eines Mangels problematisch.
Die Hepcidin-Konzentration steigt gleichzeitig mit der Eisenkonzentration im Darm deutlich an. Wie lange und in welchem Ausmaß dies passiert, wurde bislang aber noch nicht untersucht. Die Forscher der ETH testeten die Eisenaufnahme in einer klinischen Studie an 54 Frauen mit niedrigen Eisenwerten (Plasmaferritin 20 µg/l). Die Probandinnen erhielten Eisenpräparate in verschiedenen Konzentrationen zwischen 40 und 240 mg und in verschiedenen zeitlichen Abständen (12 oder 24 Stunden). Dabei wurden Hepcidin-Aktivität und Eisenkonzentration im Blut kontinuierlich überprüft.
Um nur das supplementierte Eisen zu messen, verwendeten die Wissenschaftler stabile Isotope als Indikatorsubstanzen. Während in der Natur Eisen-56 am häufigsten vorkommt, wurden für die Studie die Isotope 54, 57 und 58 verwendet. Anhand der Veränderung des Isotopenverhältnisses konnten die Forscher die Aufnahme aus den verabreichten Eisentabletten bestimmen.
Es zeigte sich, dass die Hepcidin-Konzentration nach sechs bis acht Stunden am höchsten war. 24 Stunden nach der ersten Tablette war aber noch so viel Hepcidin aktiv, dass die Eisenaufnahme der zweiten Dosis um bis zu 45 Prozent niedriger war – ein gewaltiger Wert bei einer Bioverfügbarkeit, die ohnehin nur bei 10 bis 15 Prozent liegt.
Nicht nur die Zeit spielt nach den Erkenntnissen der Forscher eine Rolle: Auch die verabreichte Dosis kann die Aktivität von Hepcidin stark beeinflussen. Mit zunehmendem Eisengehalt pro Tablette verschlechterte sich bei den Studienteilnehmerinnen die prozentuale Aufnahme signifikant: Bei einer sechsfach erhöhten Dosis wurde lediglich dreimal so viel Eisen absorbiert.
Die Züricher Forscher nehmen die Ergebnisse zum Anlass, die aktuellen Dosierschemata genauer zu überprüfen. Die aktuelle Studie sei bislang nur begrenzt aussagekräftig, da die Eisenspiegel nur über zwei Tage überwacht worden seien, räumen die Wissenschaftler ein. In der bereits gestarteten Folgestudie wird der Zeitraum nun auf bis zu vier Wochen ausgebaut. Das Ziel ist, ein Dosierschema zu entwickeln, bei der die Aufnahme von Eisen möglichst optimal gesteuert wird. Wenn sich die Hinweise aus der ersten Studie bestätigen, könnte eine Einnahme alle zwei Tage die leeren Eisenspeicher effektiver auffüllen als eine tägliche Tablette – bei insgesamt niedrigerer Dosierung.
Dabei geht es nur zum Teil um die Verbesserung der Wirksamkeit. Auch die Nebenwirkungen könnten durch eine optimierte Supplementierung verringert werden. Besonders häufig treten Störungen des Verdauungstraktes auf – hervorgerufen durch das nicht resorbierte Eisen, welches im Darm verbleibt. Eine verbesserte Resorptionsrate könnte auch die Verträglichkeit der Therapie deutlich verbessern und damit die Compliance erhöhen.