Efluelda: Viermal stärker, 24 Prozent wirksamer Cynthia Möthrath, 09.07.2021 14:47 Uhr
In der kommenden Grippesaison gibt es einen neuen Kandidaten unter den Influenza-Vakzinen, der für Trubel sorgen könnte: Der Hochdosis-Impfstoff Efluelda von Sanofi wird von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für alle Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat einen entsprechenden Beschluss vorgenommen und war damit der Empfehlung gefolgt. In Studien konnte Efluelda einen besseren Impfschutz erzielen – in der nationalen Reserve befindet sich das Vakzin jedoch nicht.
Wenn es um Impfungen geht, steht derzeit vor allem eine Erkrankung im Fokus: Covid-19. Doch auch andere Schutzimpfungen sollten während der Pandemie nicht in Vergessenheit geraten. Davor warnt auch Dr. Collin Blume, Internist aus Düsseldorf. Viele Menschen würden die Influenza mehr wie eine harmlose Erkältung sehen. Dabei befalle sie ähnlich wie auch Covid-19 den ganzen Körper – mit weitreichenden Folgen. Die Vorsorge in Form einer Impfung werde häufig nicht ernstgenommen. Das wiederrum sei ein Riesenproblem.
Denn im Alter verändert sich das Immunsystem: Seine Funktion nimmt ab und damit auch das Ansprechen auf Impfstoffe. Der Schutz fällt daher schwächer aus als bei jüngeren Menschen. Bei Senioren kommen zudem oft verschiedene Grunderkrankungen hinzu, die als Risikofaktoren gelten. Efluelda ist der erste und einzige tetravalente Hochdosis-Influenza-Impfstoff (QIV-HD). Er enthält die vierfache Antigenmenge des standarddosierten Influenza-Impfstoffs und wurde speziell zur Verbesserung des Impfschutzes für ältere Menschen entwickelt. Ab der Saison 2021/2022 soll der Hochdosis-Impfstoff als Standard für Menschen über 60 Jahren gelten: Ein besserer Schutz soll für weniger Erkrankungen sorgen.
Der beste Zeitpunkt für die Impfung sei noch vor der Influenza-Hochsaison, empfiehlt Blume. Die Monate Oktober und November seien am besten geeignet. Auch wenn Corona-Impfung und Influenza-Impfung derzeit nicht zusammen verabreicht werden dürfen, könnte das aktuelle Interesse an der Sars-CoV-2-Impfung helfen: „Man sollte direkt an die Corona-Impfung anschließen und auf die Influenza ansprechen – so kann geplant und ein Termin vereinbart werden“, erklärt der Internist. „Impfen ist aktuell in aller Munde – den Werbeeffekt kann man nutzen.“
Dr. Peter Buggisch, Infektiologe aus Hamburg, erklärt die Hintergründe zur Evidenz von Efluelda: In einer randomisiert kontrollierten Studie über zwei Influenza-Saisons in den USA und Kanada war der hochdosierte trivalente Influenza-Impfstoff 24 Prozent wirksamer als der standarddosierte trivalente Influenza-Impfstoff bei der Verhinderung laborbestätigter Influenza-Fälle bei Erwachsenen ab 65 Jahren.
Wie sich die Zahlen konkret auswirken, verdeutlicht er an einem Beispiel: Bei einer normalen Schutzwirkung von 30 Prozent würden 30 von 100 Menschen vor schweren Erkrankungsverläufen geschützt. Das Plus von 24 Prozent bedeutet also, dass auf 100 Personen gerechnet nochmal zusätzlich 17 Menschen durch den Hochdosis-Impfstoff geschützt werden können. „Das ist insgesamt ein großer Zugewinn in dieser vulnerablen Gruppe“, so Buggisch. Mit einem Blick auf die Daten aus acht Saisons mit mehr als 24 Millionen Geimpften ab 65 Jahren zeigte sich auch der überlegene Schutz durch die Reduktion von Hospitalisierungen: Kardiorespiratorische Hospitalisierungen wurden um 18 Prozent reduziert, Pneumonie und influenzabedingte Hospitalisierungen um 13 Prozent und Hospitalisierungen jeglicher Ursache um acht Prozent.
Das Nebenwirkungsprofil sei trotz der erhöhten Antigenmenge gut: Zwar würden sich insgesamt etwas mehr Nebenwirkungen zeigen, bei einem Blick auf die einzelnen Beschwerden zeigt sich jedoch, dass vor allem die lokalen Reaktionen etwas zunahmen. In Bezug auf schwerwiegende unerwünschte Wirkungen gab es jedoch keinen Anstieg.
Aktuell plant Sanofi, 8 bis 10 Millionen Impfdosen für die Saison bereitzustellen. Essenziell seien vor allem die rechtzeitigen Vorbestellungen. Denn die Produktionsvorlaufzeiten würden rund sechs bis sieben Monate betragen. In der nationalen Reserve ist Efluelda jedoch nicht vorgesehen, wie Sanofi bestätigt.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte die geänderte Schutzimpfungs-Richtlinie (SI-RL) zunächst abgesegnet und damit das Monopol für den Hochdosis-Impfstoff Efluelda von Sanofi in Stein gemeißelt. Anschließend ruderte es jedoch zurück: In einer Verordnung wurde festgehalten, dass Senioren auch mit inaktivierten, quadrivalenten Influenza-Impfstoffen geimpft werden dürfen. Dadurch will das BMG Engpässe vermeiden, die dazu führen könnten, dass Menschen ab 60 in der kommenden Saison ungeimpft und damit ungeschützt bleiben. Immerhin mache diese Zielgruppe bei einer angenommenen Impfquote von 50 Prozent rund zehn Millionen Menschen aus. „Das Wirtschaftlichkeitsgebot soll dem gleichrangigen Anspruch auf einen Influenza-Hochdosis-Impfstoff nicht entgegenstehen, auch wenn dieser höhere Kosten als andere Influenza-Impfstoffe verursacht“, erklärt das BMG. Die Regelung ist am 8. März 2021 in Kraft getreten und gilt bis zum 31. März 2022.