Entwöhnungs- oder doch nur Suchtmittel? Die Apotheken- und Pharmabranche hat den Einstieg in ein neues Geschäftsfeld knapp verpasst. Wären E-Zigaretten als Arzneimittel eingestuft worden, hätten die OTC-Hersteller schnell handeln müssen. Doch laut EU-Richtlinie sind die Nikotin-Inhalatoren als Tabakprodukt anzusehen – es sei, ihr Nutzen ist dezidiert nachgewiesen. In britischen Apotheken stehen sie trotzdem in den Regalen, direkt neben Produkten zur Raucherentwöhnung.
Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene wurde die rechtliche Einstufung von E-Zigaretten in den vergangenen zehn Jahren intensiv diskutiert. Lange war unklar, in welche Kategorie die Inhalatoren fallen und welche Vorgaben Hersteller und Händler beachten müssen.
Hierzulande wurde der Streit vor allem in Nordrhein-Westfalen ausgetragen. Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) vertrat die Ansicht, dass die sogenannten Liquids mit Nikotin unter das Arzneimittelgesetz (AMG) fallen und damit zulassungspflichtig sind. 2012 kassierte das Oberverwaltungsgericht Münster diese Einschätzung. Auch innerhalb der Bundesregierung ist das Thema inzwischen nicht mehr beim Gesundheitsministerium, sondern bei der Drogenbeauftragten angesiedelt.
Im Februar entschied das EU-Parlament, dass E-Zigaretten unter die Tabakrichtlinie fallen, solange ihr Nikotingehalt 20 mg/ml nicht übersteigt. Für sie gelten damit die gleichen Werbebeschränkungen wie für alle anderen Tabakprodukte. Im März stimmte der Ministerrat der Regelung zu. Die Mitgliedstaaten haben jetzt zwei Jahre Zeit, die Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.
Solange ist der Status weiter ungeklärt. In den Filialen der britischen Apothekenketten werden die Produkte daher – trotz Kritik von Apothekerorganisationen – vorerst weiter verkauft, und zwar direkt neben Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung.
Bei der Celesio-Tochter Lloyds gibt es seit Ende vergangenen Jahres E-Zigaretten der Marke Vype, genauso wie bei Co-op. Die rund 2500 Boots-Filialen haben vor einigen Wochen E-Zigaretten von Puritane ins Sortiment genommen.
Theoretisch könnten E-Zigaretten durchaus noch als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden, wenn die Hersteller den Nutzen für die Entwöhnung anhand von Studien nachweisen. Das aber wird aufwendig und teuer, weshalb sich bislang auch noch keiner der großen Hersteller wie Johnson & Johnson (Nicorette), Novartis (Nicotinell), und GlaxoSmithKline (NiQuitin) an das Thema gewagt hat. Man verfolge die Entwicklungen sehr genau, heißt es bei den Firmen unisono.
Ein neuseeländisches Forscherteam hatte 2013 in der Fachzeitschrift „Lancet“ die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, nach der E-Zigaretten Nikotinpflastern als Entwöhnungsmittel sogar überlegen sind: 7,3 Prozent der Teilnehmer waren nach sechs Monaten rauchfrei – verglichen mit 5,8 Prozent in der Kontrollgruppe. Zudem hatten 57 Prozent der Teilnehmer nach sechs Monaten ihre Tagesdosis an E-Zigaretten halbiert, während dies nur 41 Prozent der Probanden mit Pflaster gelang.
Mit 657 Teilnehmern war die Studie unter wissenschaftlichen Kriterien nicht aussagekräftig genug. Doch es gibt zahlreiche Hinweise aus der Praxis, die die Ergebnisse bestätigen: Raucher würden zunehmend zu E-Zigaretten greifen, um ihren Zigarettenkonsum zu reduzieren oder ganz mit dem Rauchen aufzuhören, sagt etwa eine Sprecherin der Organisation „Action on Smoking and Health“ (Ash).
Kritiker geben zu bedenken, dass E-Zigaretten jungen Menschen andererseits als „Einstiegsdroge“ zu normalen Zigaretten dienen könnten.
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