Die Diskussion um Fluorchinolone reißt nicht ab. In der Vergangenheit wurde die Anwendung der Reserveantibiotika weiter eingeschränkt. Jetzt bekommen Fach- und Gebrauchsinformationen von Ciprofloxacin einen Hinweis auf das Risiko einer Dysglykämie. Die Vorgabe geht auf einen einstimmigen Beschluss der Koordinierungsgruppe (CMDh) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) aus dem Oktober zurück.
Zu Ciprofloxacin-haltigen Arzneimitteln wurde vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA ein europäisches Bewertungsverfahren durchgeführt. Die Arbeitsgemeinschaft der nationalen Zulassungsbehörden folgte der daraus resultierenden Empfehlung. Für systemisch angewendetes Ciprofloxacin wurden im Berichtszeitraum Fälle des Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH) dokumentiert. Dies liefere ausreichend Belege, um die SIADH als unerwünschte Arzneimittelwirkung aufzunehmen. Die Häufigkeit wird als unbekannt eingestuft.
Abschnitt 4.8 der Fachinformationen soll entsprechend unter der Rubrik „Endokrine Erkrankungen“ ergänzt werden. Die Packungsbeilage wird in Abschnitt 4 (Nebenwirkungen) wie folgt erweitert: „Syndrom, das mit einer beeinträchtigten Wasserausscheidung und einem niedrigen Natriumspiegel assoziiert ist.“ Die Häufigkeit wird auf „Nicht bekannt“ beziffert.
Außerdem wurden im Zeitraum des Bewertungsverfahrens einige Fälle von hypoglykämischem Koma durch Spontanberichte und Literaturveröffentlichungen identifiziert. Sowohl die Produktinformationen zu Levofloxacin als auch Ofloxacin enthalten bereits einen Hinweis auf hypoglykämisches Koma als unerwünschte Arzneimittelwirkung. Dies wurde nun auch für Ciprofloxacin angeordnet. In der Regel treten Hypoglykämien in der ersten drei Tagen der Antibiose auf.
Abschnitt 4.4 der Produktinformationen von Ciprofloxacin soll wie folgt geändert werden: „Dysglykämie: Wie bei anderen Chinolonen wurden Störungen des Blutzuckerspiegels, einschließlich Hypoglykämie und Hyperglykämie, beobachtet (siehe Abschnitt 4.8), in der Regel bei Patienten mit Diabetes, die eine Begleitbehandlung mit einem oralen Antidiabetikum (zum Beispiel Glibenclamid) oder mit Insulin erhalten. Es wurden Fälle von hypoglykämischem Koma berichtet. Bei allen Patienten mit Diabetes wird eine sorgfältige Überwachung der Blutzuckerwerte empfohlen.“
Dass Fluorchinolone für Diabetiker eine Gefahr sind, hat die US-Arzneimittelbehörde bereits im Sommer 2018 beschlossen. Aufgrund eines Reviews warnte die FDA vor dem Auftreten eines hypoglykämischen Komas als unerwünschte Arzneimittelwirkung unter Ciprofloxacin, Gemifloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Ofloxacin und Delafloxacin. Hypoglykämisches Koma, das in einigen Fällen zum Tod führte, ist derzeit in keiner Fach- und Produktinformation aufgeführt. Das Risiko einer Hypoglykämie, das mit der Anwendung von Fluorchinolonen in Zusammenhang gebracht werden kann, war hingegen in einigen Produktinformationen zu finden. Für Moxifloxacin wurde das Auftreten einer Dysglykämie beschrieben, die vorwiegend bei älteren Diabetikern, die gleichzeitig mit einem oralen Antidiabetikum oder Insulin behandelt werden, auftreten kann. Für vier Fluorchinolone wurde zum damaligen Zeitpunkt eine Wechselwirkung mit Sulfonylharnstoffen beschrieben.
Im Oktober wurde außerdem vor einem Aortenaneurysma unter Fluorchinolonen gewarnt. Bei Patienten mit einem Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen sollten Fluorchinolone nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung und Berücksichtigung anderer Therapiemöglichkeiten angewendet werden. Prädisponierende Faktoren für Aortenaneurysmen und -dissektionen sind unter anderem: Aneurysma-Erkrankung in der Familienanamnese, vorbestehendes Aortenaneurysma oder vorbestehende Aortendissektion, Marfan-Syndrom, vaskuläres Ehlers-Danlos-Syndrom, Takayasu-Arteriitis, Riesenzellen-Arteriitis, Morbus Behçet, Hypertonie und Atherosklerose.
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