Die Hoffnung in den Wirkstoff Chloroquin ist groß: Einige Studien beschäftigen sich mit der Substanz zur Behandlung von Covid-19-Patienten. Professor Dr. Christian Drosten, Chefvirologe der Charité, zweifelt jedoch am Studiendesign und übt massive Kritik an den verwendeten Parametern.
Chloroquin hat sich in einer chinesischen klinischen Studie als wirksam gegen Sars-CoV-2 gezeigt, so der Leiter des Instituts für Infektionskrankheiten in Marseille, Didier Raoult. Er stützt seine Aussagen auf eine Untersuchung von drei chinesischen Forschern, die in der Fachzeitschrift „BioScience Trends“ erste Ergebnisse der Studie veröffentlichten. An der klinischen Studie nahmen mehr als 100 Patienten teil. Laut Artikel ist die Behandlung mit Chloroquin „wirksamer“ als die Behandlung mit Placebo.
Drosten zweifelt jedoch an der angeblich nachgewiesenen Wirksamkeit von Chloroquin, wie er im Podcast mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) erklärt: Es sei schon länger bekannt, dass das Malariamittel auch gegen das 2003 kursierende Coronavirus in der Zellkultur wirksam ist. Man wisse jedoch nicht, ob es am Menschen genauso wirke, da alles „viel viel komplizierter“ sei. „So ein Medikament muss ja da hinkommen, wo das Virus ist – in die Lunge", erklärt er. Mit dem Schlucken einer Tablette sei es daher nicht getan: „Die infizierte Zelle im Körper des Menschen hat einen anderen Stoffwechsel als eine Zelle in einer Zellkulturschale – das ist gar nicht miteinander zu vergleichen."
Die Studie wird ebenfalls von ihm kritisiert: Grundsätzlich sei es schwierig, eine Studie durchzuführen, da die Mehrheit der Patienten auch ohne medikamentöse Behandlung wieder gesund werde. Außerdem seien einige Parameter der Studie fragwürdig. Für eine aussagekräftige Studie seien zwei möglichst homogene Gruppen notwendig, die miteinander verglichen werden – eine, die behandelt wird, und eine, die nicht behandelt wird. In der Studie sei dies jedoch nicht der Fall gewesen: Während die behandelten Patienten ein Durchschnittsalter von 51 Jahren hatten, waren die Patienten der unbehandelten Kontrollgruppe nur 37 Jahre im Schnitt.
Zudem seien in der behandelten Gruppe zwei Personen mit asymptomatischen Krankheitsbildern gewesen, in der unbehandelten aber vier. „Das führt dazu, dass wir in dieser Studie Äpfel mit Birnen vergleichen", findet der Virologe. Wesentlicher Störfaktor sei zudem die Zeitskala, da ein gemeinsamer Startpunkt fehle: Der Beginn der Studie bei den Patienten entspricht dem Tag des Einschlusses in die Studie, nicht aber dem Tag der Infizierung oder des Ausbruchs der Krankheit. Die Konzentration der Viren wurde bei den Teilnehmern im Hals gemessen, nicht aber am Ort des Geschehens – der Lunge. „Das ist die größte Fehlannahme der gesamten Studie." Die Besserung der Erkrankung unter der Einnahme von Chloroquin sei also nicht nachvollziehbar und belegbar. Drosten vermutet, dass es zu ähnlichen Ergebnissen gekommen wäre, wenn statt Chloroquin eine Kopfschmerztablette verabreicht worden wäre. „Ich möchte nicht sagen, Chloroquin wirkt nicht. Aber so, wie diese Studie gemacht wurde, sind wir kein Stück schlauer.“
Resochin wurde zur Therapie und zur Prophylaxe von Malaria angewendet. Der Wirkstoff Chloroquin ist gegen alle vier menschen-pathogenen Malaria-Erreger wirksam. Der Arzneistoff ist Mittel der Wahl zur Behandlung der Unterform Malaria quartana. Darüber hinaus hatte das Arzneimittel die Zulassung zur Behandlung des systemischen Lupus erythematodes sowie der chronischen Polyarthrtitis einschließlich der juvenilen Form. Für Chloroquin gibt es eine sogenannte kumulative Dosis, das bedeutet, dass die Einnahme nur bis zu einer definierten Gesamtdosis erfolgen durfte. Danach musste die Therapie abgebrochen oder umgestellt werden.
Der Arzneistoff Chloroquin wurde über 60 Jahre lang von Bayer unter dem Namen Resochin vertrieben – im November letzten Jahres hat der Konzern den Vertrieb aller Resochin-Produkte eingestellt. Grund dafür ist, dass die Herstellung des Arzneistoffes Chloroquinphosphat nicht mehr in der erforderlichen Qualität erfolgen kann. Die weltweite Suche nach einem alternativen Hersteller verlief laut Konzern erfolglos, sodass die Produktion zum Stoppen kam.
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