Drogenmissbrauch

Führerschein weg wegen „Metamizol“

, Uhr
Berlin -

Mein Tacho geht falsch. Da muss mir jemand etwas ins Glas getan haben. Gerät man zu schnell oder betrunken in eine Verkehrskontrolle, kann man sich Ausreden sparen. Es gibt wohl nichts, was Polizisten nicht schon gehört haben. Im Saarland fiel im vergangenen Jahr ein stark lädierter Straßenverkehrsteilnehmer auf. Sollte wirklich, wie er behauptete, Metamizol am hohen Amphetamin-Spiegel schuld gewesen sein?

Am 24. März 2016 um 19.05 Uhr geriet im Saarland ein Fahrer in eine Polizeikontrolle. Die Beamten stellten „verschiedene Aus- und Auffallerscheinungen“ fest, die auf den Konsum von psychoaktiven Substanzen hindeuteten. Auf Nachfrage erklärte der Fahrer, er habe weder Alkohol noch Drogen konsumiert, müsse aber das Schmerzmittel Novalgin einnehmen. Ein freiwillig durchgeführter Drogenvortest ergab ein positives Ergebnis auf Amphetamin.

Die eine Stunde später entnommene Blutprobe wurde vom Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes über Festphase extrahiert und gaschromatographisch-massenspektrometrisch auf Drogen untersucht. Laut Gutachten wurden weder Alkohol noch Metamizol nachgewiesen, dafür aber eine sehr hohe Amphetamin-Konzentration von 0,19 mg/l.

Bei der Anhörung zum geplanten Führerscheinentzug machte der Mann geltend, er habe kein Amphetamin, sondern nur das ihm verordnete Medikament gegen Schmerzen eingenommen. Der Wirkstoff Metamizol hinterlasse im Körper Rückstände, die als Amphetamin nachweisbar seien.

Sein Anwalt gab zu Protokoll, ein Mitarbeiter des Herstellers Sanofi habe telefonisch bestätigt, dass bei übermäßigem und langem Gebrauch die Möglichkeit der Bildung von Kristallen im Körper bestehe, die als Amphetamin nachweisbar seien. Die Führerscheinstelle ließ sich vom Institut für Rechtsmedizin bestätigen, dass Metamizol mittels gaschromatographisch-massenspektrometrischer Analysen eindeutig von Amphetamin unterschieden werden könne.

Der Fall ging vor Gericht. Der mutmaßliche Verkehrssünder argumentierte, er sei als Polier beruflich auf den Führerschein angewiesen. Drogen konsumiere er nicht, er wisse nicht einmal, woher er solche bekommen sollte. Da sein Vater Alkoholiker gewesen sei, sei bei ihnen auch der Alkoholkonsum verpönt. Seinen Sohn habe er vor acht Jahren rausgeworfen, als der einmal gekifft habe.

Weder in den 27 Jahren vor noch in der Zeit nach der Verkehrskontrolle sei er auffällig geworden. Im Gegenteil: Wann immer ihm vom Arzt Arzneimittel verschrieben worden seien, habe er sich stets informiert, ob er mit dem Medikament am Straßenverkehr teilnehmen dürfe. Als er einmal ein Medikament eingenommen habe, das die Teilnahme am Straßenverkehr nicht erlaubt habe, sei er nicht gefahren.

Dass die Führerscheinstelle eine schriftliche Bestätigung des Herstellers zu möglichen Rückständen fordere, sei „hanebüchen“. Damit würde der Hersteller die Freigabe des Medikamentes riskieren. Schon im Strafverfahren, das übrigens eingestellt worden sei, habe die Firma gegenüber der Richterin lediglich mündliche Aussagen mit dem Hinweis gemacht, dass man diese Erkenntnis gerade nicht schriftlich geben könne. Wohl aus firmenpolitischen Gründen sei der geladene Hauptchemiker von Sanofi nicht zum Prozess erschienen.

All das ließ das Verwaltungsgericht Saarlouis kalt: Wenn man fünf- bis sechsmal täglich 30 Tropfen Metamizol einnehme, erscheine es ausgeschlossen, dass bei der Blutabnahme um 20.15 Uhr seit der letzten Einnahme mehr als fünf Stunden zurücklagen und folglich bei der gaschromatographisch-massenspektrometrischen Untersuchung keinerlei Hinweise auf Metamizol vorlagen.

Eine mögliche Kristallierung müsse zudem ja wohl im Beipackzettel aufgeführt sein, was nicht der Fall sei. Und schließlich sei davon auszugehen, dass der von der Führerscheinstelle befragte Rechtsmediziner in besonderem Maße sachkundig sei.

Damit war der Fall vor Gericht abgeschlossen, der Führerschein sofort weg. Sanofi äußerte sich auf Nachfrage jetzt aber doch noch schriftlich: Weil es sich nach vorliegenden Informationen um ein Konkurrenzprodukt gehandelt habe, habe man im Prozess nichts beitragen können. Dies werde man auch dem PKW-Fahrer mitteilen. Recherchen im Unternehmen hätten obendrein die angeblichen Inhalte der geführten Telefonate mit Sanofi-Mitarbeitern nicht bestätigt.

In der Literatur gebe es jedenfalls keine Hinweise, dass Metamizol zu Amphetaminen abgebaut werde. Die Wirkungsdauer betrage drei bis fünf Stunden, die Plasmahalbwertszeit liege bei etwa einer Stunde. Die Ausscheidung erfolge nach Metabolisierung in der Leber zum größten Teil über die Niere. Im Tierversuch seien nach oraler Gabe im Urin die Metabolite vor allem 4-N-Acetylaminophenazon sowie N-Formyl-aminophenazon, 4-N-Methylaminophenazon und 4-Aminophenazon sowie teilweise 4-Hydroxyphenazon gefunden worden. Bei intravenöser Applikation sei eine deutliche Verschiebung zu 4-N-Methylaminophenazon zu beobachten gewesen.

Was noch nachzutragen wäre: Bereits 2010 hatte eine Autofahrerin aus Baden-Württemberg versucht, den Amphetamin-Spiegel im Blut mit der Einnahme von Aspirin Complex zu rechtfertigen. Vergebens: Zwar wird Pseudoephedrin zur Herstellung der Modedroge Crystal (Metamphetamin) verwendet. Die Behauptung, Pseudoephedrin werde im Körper in Amphetamin umgewandelt, verwies ein Gutachter aber ins Reich der Legende. Das Verwaltungsgericht in Neustadt/Weinstraße erklärte den Entzug des Führerscheins für rechtmäßig.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr aus Ressort
Benzolbildung verhindern
BPO besser im Kühlschrank lagern
FDA bezweifelt Wirksamkeit
Orales Phenylephrin vor dem Aus?

APOTHEKE ADHOC Debatte