Kinetoplastida

Drei Parasiten auf einen Streich APOTHEKE ADHOC, 12.08.2016 08:02 Uhr

Berlin - 

Wissenschaftler des kalifornischen Forschungszentrums Genomics Institute der Novartis Research Foundation haben offenbar einen Weg gefunden, drei Infektionskrankheiten mit nur einem Präparat zu behandeln. Im Fachjournal „Nature“ zeigen sie, wie ein einzelner Wirkstoff die für die Schlafkrankheit, die Chagas-Krankheit und die Leishmaniose verantwortlichen Parasiten unschädlich machen könnte. Mehr als 20 Millionen Menschen weltweit sind von ihnen betroffen, 50.000 sterben pro Jahr.

„Wir fanden heraus, dass diese Parasiten einen gemeinsamen Schwachpunkt haben“, sagte Mitautor Dr. Frantisek Supek. „Wir hoffen, diese Schwäche ausnutzen zu können, um eine einzelne Wirkstoffklasse für alle drei Krankheiten zu entdecken und zu entwickeln.“

Die Schlafkrankheit, auch Afrikanische Trypanosomiasis genannt, ist eine häufig in Afrika auftretende Tropenkrankheit. Sie greift das zentrale Nervensystem an, führt zu Verhaltensstörungen, Verwirrung und Schlafstörungen. Die Tsetsefliege ist das übertragene Insekt. Leishmaniose hingegen ist weiter verbreitet – so in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die Krankheit tritt in kutaner und viszeraler Form auf und wird durch die Sandmücke übertragen. Die Infektion kann zu Entzündungen der Haut führen und im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein.

Die meisten der Millionen mit Chagas-Infizierten leben in Südamerika. Die Krankheit verbreitet sich aber auch durch Migration und Urlaubsreisen in Europa und in den USA. Chagas-Infektionen können Darmkomplikationen und Herzfehler verursachen. Die infektiöse Erkrankung wird durch Raubwanzen übertragen, die den Erreger Trypanosoma cruzi in sich tragen.

Alle drei Infektionskrankheiten jedoch werden durch dieselbe Klasse von Einzellern, den Kinetoplastida, verursacht. Die Parasiten weisen eine ähnliche biologische und genomische Sequenz auf. Als die Forscher mit der Arbeit begannen, hatten sie keinen speziellen Wirkstoff zum Ziel, der die Parasiten bekämpft. Sie testeten mehr als zwei Millionen Wirkstoffe mittels Hochdurchsatz-Screenings. Mit der Methode werden neue pharmakologisch aktive Substanzen gesucht, um aus deren Leitstrukturen neue Arzneistoffe zu entwickeln. Die verschiedenen Testsubstanzen wurden an den drei Parasiten untersucht.

In einem zweiten Screening testeten die Forscher erfolgreiche Substanzen an Säugerzellen, um feststellen, ob sie auch effektiv gegen die Parasiten vorgehen ohne schädlich für den Menschen zu sein. Ein Chemikerteam synthetisierte und potenzierte anschließend eine Substanz mit dem Namen „GNF6702“. Ein anderes Forscherteam um Postdoktorand Shilpi Khare setzte die Parasiten der hochkonzentrieten Substanz aus, bis die Mikroben Resistenzen entwickelten. Dann verglichen sie die resistenten und unbehandelten Erregerstämme miteinander und beobachteten anhand Genomsequenzierungen, wo sich Mutationen im Erbgut bildeten.

Die Forscher entdeckten viele Mutationen – viele drängten sich um ein Gen, das Proteasome verschlüsselt. Bei Proteasomen handelt sich um Proteinkomplexe, die eine wesentliche Rolle beim Abbau und Recycling von beschädigten und ungewollten Proteinen in den Zellen spielen. Die Wissenschaftler stellten folglich die Hypothese auf, dass Proteasome das Ziel von „GNF6702“ sein müsste.

„Die Entdeckung dieses gemeinsamen Ziels war so etwas wie eine Überraschung“, sagte Supek. „Proteasome wurden bislang nicht als Ziele in parasitären Krankheiten betrachtet, weil parasitäre und menschliche Proteasome sich eigentlich sehr ähneln. Irgendwie sondert unser Molekül die Region aus, die sich auf einzigartige Weise vom menschlichen Proteasom unterscheidet. Und gleichzeitig tötet es selektiv die Parasiten ohne die menschlichen Zellen anzugreifen.“

Als das Forscherteam die optimierte Version der Substanz „GNF6702“ an Mäusen, die an den drei Tropenkrankheiten litten, testeten, konnten die Tiere von ihren Infektionen geheilt werden.

„Das Erstaunliche an diesem Wirkstoff ist, dass es nicht nur alle drei durch Kinetoplastida verursachte Krankheiten heilt, sondern auch menschliche Zellen verschont“, sagte Mitautor der Studie Advait Nagle. Der neu entdeckte selektive Proteasomhemmer schürt Hoffnungen: „Vor allem letzteres war das therapeutische Ziel, das nun vielversprechend für die Behandlung von Patienten mit der Afrikanischen Schlafkrankheit, Leishmaniose und Chagas-Krankheit sein kann.“