Rote-Hand-Brief

DPD-Mangel: Vorsicht bei Flucytosin und Zytostatika APOTHEKE ADHOC, 04.06.2020 14:28 Uhr

Erhöhtes Risiko für schwere oder lebensbedrohliche Toxizität: Bei einem Mangel an DPD kann die Anwendung von Flucytosin und verschiedenen Zytostatika lebensbedrohlich sein. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Meda informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mittels Rote-Hand-Brief über die Risiken der Anwendung von Ancotil (Flucytosin) bei Patienten mit einem Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Mangel (DPD-Mangel). Gleichzeitig empfehlen auch die Zulassungsinhaber von Arzneimitteln, die 5-Fluorouracil (5-FU) i.v., Capecitabin oder Tegafur enthalten, ein systematisches Screening auf DPD-Mangel vor der Anwendung.

Bei dem Wirkstoff Flucytosin handelt es sich um ein Antimykotikum, welches zur Behandlung von systemischen Hefe- und Pilzinfektionen, die durch empfindliche Organismen verursacht werden, eingesetzt wird. Dazu zählen beispielsweise Kryptokokkose, Candidiasis, Chromomykose und Infektionen durch Ansenula (Pichia) spp.

Flucytosin ist ein 5-Fluorouracil (5-FU) Prodrug. Eine relevante systemische Exposition von 5-FU wurde bei Patienten beobachtet, die mit Flucytosin behandelt wurden.

DPD-Mangel als Risikofaktor

Die Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) fungiert im Körper als geschwindigkeitsbestimmendes Enzym im Katabolismus von 5-FU. Die Aktivität des Enzyms unterliegt jedoch einer großen Variabilität: In seltenen Fällen liegt ein vollständiger DPD-Mangel vor – 0,01- 0,5 Prozent der Kaukasier weisen ihn auf. Ein partieller DPD-Mangel betrifft schätzungsweise 3-8 Prozent der kaukasischen Bevölkerung.

Bei Patienten, die mit systemischen 5-FU oder deren Prodrug behandelt werden, führt eine beeinträchtigte DPD-Enzymfunktion zu einem erhöhten Risiko für schwere oder lebensbedrohliche Toxizität einschließlich Stomatitis, Schleimhautentzündung, Durchfall, Neutropenie oder Neurotoxizität. Bei Patienten mit einem Mangel am DPD-Enzym ist das Risiko einer schweren Arzneimitteltoxizität erhöht, wobei die Intensität der Toxizität mit dem Ausmaß des DPD-Mangels korreliert. Bei Patienten mit vollständigem DPD-Mangel besteht ein erhöhtes Risiko, eine lebensbedrohliche oder tödliche Toxizität zu entwickeln, weshalb unter diesen Voraussetzungen die Behandlung mit Flucytosin kontraindiziert ist.

Vorherige Testung empfohlen

Um Verzögerungen in der antimykotischen Therapie zu vermeiden, sind vor Behandlungsbeginn keine Tests auf DPD-Mangel vorgeschrieben. Die Bestimmung der DPD-Aktivität kann jedoch in Betracht gezogen werden, wenn eine bestätigte oder vermutete Arzneimitteltoxizität vorliegt. Bei Verdacht auf eine Arzneimitteltoxizität sollte der Abbruch der Behandlung mit Flucytosin in Betracht gezogen werden.

Um Patienten zu identifizieren, bei denen ein Risiko für schwere oder lebensbedrohliche Toxizität besteht, empfehlen auch die Zulassungsinhaber der Zytostatika 5-Fluorouracil (5-FU), Capecitabin und Tegafur ein systematisches Screening auf DPD-Mangel vor der Anwendung. Die Bestimmung kann über eine Genotypisierung oder im Rahmen einer Phänotypisierung erfolgen. Systemisches 5-FU und seine peroral applizierbaren Prodrugs Capecitabin und Tegafur, sind zur Krebsbehandlung indiziert und in unterschiedlichen Darreichungsformen im Markt.

DPD-Mangel auch bei Zytostatika-Therapie beachten

Nukleosidanaloga können DPD funktionell hemmen und damit eine Kumulation von 5-FU bewirken. Bei Patienten mit vollständigem DPD-Mangel sind die genannten Fluoropyrimidine kontraindiziert. Bei Patienten mit partiellem DPD-Mangel sollte eine reduzierte Anfangsdosis in Betracht gezogen werden. Ergänzend dazu kann ein therapeutisches Wirkstoffmonitoring bei Patienten, die mit systemisch verfügbarem 5-FU behandelt werden, sinnvoll sein.