Digitalis erhöht Sterblichkeit dpa/APOTHEKE ADHOC, 05.05.2015 15:32 Uhr
Digitalis-Präparate bergen anscheinend größere Gefahren als bislang bekannt. Eine Metastudie deutet darauf hin, dass Arzneimittel mit Herzglykosiden die Sterblichkeit von Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz im Vergleich zu anderen Mitteln um durchschnittlich 21 Prozent erhöhen. Das berichtet ein Team um den Kardiologen Professor Dr. Stefan Hohnloser vom Universitätsklinikum Frankfurt im „European Heart Journal“.
Die Mediziner werteten 19 Studien aus den Jahren 1993 bis 2014 aus. Sie enthalten Daten von mehr als 326.000 Patienten, die wegen Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz behandelt wurden. Bei Herzkranken, die Digitalis-Präparate erhielten, lag die Sterblichkeit um insgesamt 21 Prozent höher als bei jenen Patienten, die andere Medikamente genommen hatten. Bei Vorhofflimmern war die Gefährdung um 29 Prozent gesteigert, bei Herzinsuffizienz um 14 Prozent.
Die bislang größte Studie zu dem Thema zeige, dass bei der Behandlung mit Herzglykosiden tatsächlich eine erhöhte Sterblichkeit vorliege, betonte Hohnloser. Zusätzlich gebe es Wechselwirkungen von Digitalis mit anderen Medikamenten. Die Autoren kritisieren, dass die Empfehlungen für Digitalis auf einer „hochgradig unbefriedigenden derzeitigen Datenlage“ beruhten. Bis gute Studien vorlägen, „sollte Digitalis mit großer Zurückhaltung angewandt werden“, raten sie.
In Deutschland sind die Digitoxin-Präparate Digimerck (Merck), Digimed (Biomo) und Digitoxin AWD (Teva) zugelassen, außerdem gibt es die Digoxin-Präparate Digacin (Mibe), Lanicor (Teo) und Lenoxin (Aspen). Eingesetzt werden ferner Generika mit β-Acetyldigoxin sowie Metildigoxin (Lanitop, Riemser). Laut Arzneiverordnungsreport wurden 2013 mehr als 122 Millionen Tagestherapiedosen verordnet. Mit Abstand wichtigste Produkte sind Digimerck mit 746.000 verordneten Packungen und Digitoxin AWD mit 455.000 Verordnungen.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüfe bereits die Risiken, sagte ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am Dienstag. „Sobald die Ergebnisse dieses Risikobewertungsverfahrens feststehen, wird das BfArM über mögliche Sicherheitsmaßnahmen informieren.“
Eine potenziell gefährliche Wechselwirkung zwischen Digoxin und dem Herzmedikament Dronedaron sei bereits bekannt, sagte der Sprecher weiter. Auf diese Gefahr werde in den Fachinformationen hingewiesen. „Ärzte kennen dieses Risiko bereits und sollten es bei der Behandlung ihrer Patienten [...] beachten.“
Dem BfArM wurden seit 1978 insgesamt 20 Verdachtsfälle zu der Wechselwirkung gemeldet, darunter ein Todesfall. Patienten, die Digitalis-Medikamente nehmen, sollten sie aber nicht eigenständig absetzen, rät die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. „Sie sollten sich mit ihrem Arzt zusammensetzen und prüfen, ob es sinnvoll ist, sie weiterzunehmen“, sagte Dr. Stephan Willems vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Es gebe durchaus Alternativen zu Digitalis-Präparaten.
„Die Studie sollte auf jeden Fall ein Denkanstoß sein“, auch für Ärzte, sagte Willems. Ob gut eingestellte Patienten ihr Medikament wechseln sollten, hänge vom Einzelfall ab. „Einen neuen Patienten auf Digitalis einzustellen, ist heute nicht mehr sinnvoll, das kann man sicher sagen.“ Der Wirkstoff könne zudem leicht überdosiert werden.