Arzneimittelagentur

Die EMA wirft die Sparflamme an

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Berlin -

Keine neuen Guidelines, keine neuen klinischen Daten: Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat angekündigt, spätestens ab dem 1. Oktober ihre Aktivitäten auf ihre Kernaufgaben herunterzufahren. Das sei auch nötig, denn die kommenden Monate werden hart. Während der Umzug nach Amsterdam zusätzliche Ressourcen verschlingt, brechen der Behörde mehr Mitarbeiter weg als erwartet. Beinahe jeder dritte EMA-Mitarbeiter geht nicht mit aufs Festland.

Die EMA hat schwere Monate vor sich: Bis April 2019 muss sie London verlassen und den Arbeitsbetrieb in Amsterdam aufgenommen haben. Nicht nur verursacht der Umzug einer derart großen Behörde einen enormen zusätzlichen Arbeitsbedarf, sondern mit dem Ausstieg des Gastgeberlandes aus der EU bricht auch ein nicht unerheblicher Teil des Personals weg – mindestens alle britischen Mitarbeiter, so befürchtete man bisher.

Es scheint aber noch dicker zu kommen. „Es hat sich herausgestellt, dass die Agentur mehr Personal verliert, als anfangs angenommen“, schreibt die EMA. „Mitarbeiter, die nicht mit nach Amsterdam ziehen, haben bereits damit begonnen, die Agentur zu verlassen, und es wird erwartet, dass dieser Trend sich noch beschleunigt.“ Hinzu kämen 135 Angestellte mit befristeten Verträgen, die aufgrund des niederländischen Arbeitsrechts nicht mit umziehen können. „Insgesamt erwartet die EMA, über 30 Prozent ihres Personals zu verlieren.“

Um den Einbruch an Arbeitskraft bei gleichzeitig steigender Aufgabenlast zu bewerkstelligen, muss die Behörde knallhart Prioritäten setzen. Deshalb, so kündigt sie an, wird sie spätestens ab dem 1. Oktober eine Reihe von Aktivitäten aussetzen oder deutlich zurückfahren, um die Aufrechterhaltung ihrer wichtigsten Funktionen überhaupt noch gewährleisten zu können.

So wird die Mitarbeit in den Arbeitsgruppen ebenso heruntergefahren wie die Ausarbeitung und Aktualisierung von Guidelines. Weitergearbeitet wird nur an denjenigen Richtlinien, die als besonders wichtig für die öffentliche Gesundheit gesehen werden oder im Zusammenhang mit dem Brexit stehen. Dem Rotstift zum Opfer fallen darüber hinaus die federführende Vorbereitung und Betreuung von Maßnahmen und Projekten sowie Organisation und Teilnahme an Meetings mit Verbänden und Interessengruppen. Auch neue Daten aus klinischen Studien werden nicht mehr veröffentlicht. Deadline ist hier Ende Juli – alles, was vorher eingereicht wurde, wird noch bearbeitet, der Rest muss warten.

Die internationale Zusammenarbeit wird ebenfalls heruntergefahren. Die EMA wird in den kommenden Monaten nur noch reagieren, statt zu agieren. Produktbezogene Anfragen und Anliegen würden noch beantwortet, genauso wie die Aufrechterhaltung der Lieferketten weiterhin gewährleistet werden soll. Für Fragen der internationalen öffentlichen Gesundheit wie Antibiotikaresistenzen oder Impfstoffe kann jedoch nicht mehr garantiert werden. Man wolle die Zusammenarbeit aufrechterhalten, müsse jedoch von Fall zu Fall entscheiden, ob das möglich ist.

Die Entscheidungen, welche Aktivitäten wann gestrichen werden, sind nicht spontan gefallen, sondern folgen dem „Business Continuity Plan“, den die Behörde vor einem Jahr vorgestellt hat. „Mit dem Business Continuity Plan wollen wir sicherstellen, dass die Prüfung von Arzneimitteln nicht beeinträchtigt wird und Patienten in Europa weiterhin Zugang zu qualitativ hochwertigen, sicheren und effektiven Medikamenten haben“, so Noel Wathion, stellvertretender EMA-Direktor und Vorsitzender der internen Brexit-Arbeitsgruppe.

Deshalb müsse die Behörde vorhandene Ressourcen umverteilen, um den fehlerfreien Betrieb ihrer Kernaktivitäten zu gewährleisten. Zu diesem Zweck hat die „Brexit Task Force“, wie Wathions Arbeitsgruppe heißt, drei Prioritätskategorien definiert, die nach ihrem Einfluss auf die öffentliche Gesundheit und die Funktionsfähigkeit der Behörde geordnet sind.

Am entbehrlichsten sind die Aktivitäten der Kategorie 3. Sie wurden schon vergangenes Jahr vorläufig auf Eis gelegt, darunter die Entwicklung des „European Medicines Web Portal“, über das Antragsteller in Zukunft ihre Dokumente einreichen können sollen. Auch die Ausarbeitung einer Transparenz-Roadmap mit den zukünftigen Transparenz-Richtlinien der Behörde wurde eingestellt, ebenso einige Programme zur Unterstützung von Arzneimittel-Entwicklern.

Derartige Projekte könne man eine bestimmte Zeit pausieren, ohne das Funktionieren der Behörde zu beeinträchtigen. „Dennoch wird die EMA mittel- bis langfristig analysieren müssen, wie lange man diese Aktivitäten aussetzen kann, bevor sie ernsthaft die Qualität der Arbeit beeinträchtigen“, hieß es aus London.

Aktivitäten der zweiten Prioritätskategorie hingegen sollten vorerst nach dem Motto „so lange es noch geht“ weitergeführt werden. Denn dabei handelt es sich um bedeutende, aber nicht unentbehrliche Tätigkeiten wie die proaktive Publikation von klinischen Daten, verschiedene Initiativen zur Erhöhung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln sowie bestimmte politische Prioritäten, die die EU vorgibt, beispielsweise Programme zur Bekämpfung multiresistenter Keime – es ist die Kategorie, die jetzt eingestellt wird.

In Kategorie 1 wiederum ist das Kerngeschäft der EMA zusammengefasst – Aktivitäten, die sich entweder direkt auf die Prüfung von Arzneimitteln und der Überwachung von deren Sicherheit beziehen oder die unentbehrlich für die Erhaltung der Infrastruktur des europäischen Arzneimittelregulationen sind. „Es ist absolut entscheidend, diese Aktivitäten fortzuführen, denn jede Störung oder Unterbrechung hätte nahezu umgehende schädliche Effekte auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger in Europa und würde darüber hinaus die Produktion und Verteilung von Medikamenten in Europa aufs Spiel setzen“, heißt es dazu im EMA-Papier von vergangenem Jahr.

Es endete mit einer beunruhigenden Feststellung: „Sollte der Personalverlust aufgrund des Umzugs der Agentur noch größer, schneller oder anhaltender ausfallen als bisher vermutet, könnte das zu einer Situation führen, in der die EMA ihre Arbeit nicht weiter fortführen kann.“

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