Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg haben sich mit dem Einfluss von Diabetes auf das Darmkrebsrisiko beschäftigt und ihre Ergebnisse im „Journal of Gastroenterology“ vorgestellt. Diabetiker haben demnach in allen Altersgruppen ein erhöhtes Darmkrebs-Risiko – besonders hoch sei jedoch das Risiko von frühem Darmkrebs vor dem 50. Lebensjahr.
Diabetes und Darmkrebs weisen einige gemeinsame Risikofaktoren auf: Neben Fettleibigkeit und Bewegungsmangel zählen auch Stoffwechselfaktoren dazu. „Bisher galt Diabetes nicht als anerkannter Risikofaktor für frühe Darmkrebserkrankungen und der Zusammenhang zwischen Diabetes und familiärem Darmkrebsrisiko war noch weitgehend unbekannt“, berichtet Dr. Mahdi Fallah, Leiter der Gruppe Risikoadaptierte Prävention in der Abteilung Präventive Onkologie des DKFZ und am NCT Heidelberg. Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass Diabetiker – insbesondere Menschen mit Diabetes Typ 2 – gegenüber der Normalbevölkerung ein höheres Risiko haben, an Darmkrebs zu erkranken.
Für die Analyse wurde die weltweit größte Datenbank ihrer Art zur Hilfe genommen, insgesamt wurden für die Untersuchung die Daten von fast 13 Millionen Personen, die nach 1931 geboren wurden, ausgewertet. Gemeinsam mit der Universität Lund wurden schwedische Bürger inklusive ihrer Eltern in die Untersuchungen einbezogen. „Ziel war es, das Darmkrebsrisiko insbesondere im Alter unter 50 Jahren bei Diabetikern mit und ohne Darmkrebspatienten in der Familie zu bestimmen", erklärt Elham Kharazmi, Ko-Leiterin der Studie und Wissenschaftlerin des DKFZ und am NCT Heidelberg.
Während des Studienzeitraums von 1964 bis 2015 hatten insgesamt knapp 560.000 der untersuchten Personen Diabetes und mehr als 162.000 eine Darmkrebserkrankung. Die Auswertung ergab, dass bei Diabetikern das Risiko für Darmkrebs in allen Altersgruppen erhöht war. Außerdem war das Risiko, in jungen Jahren an Darmkrebs zu erkranken, bei Diabetikern ohne Verwandte mit Darmkrebs sogar ähnlich hoch wie bei familiär vorbelasteten Nicht-Diabetikern. Diabetiker, bei deren Verwandten ersten Grades Darmkrebs diagnostiziert wurde, hatten gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein etwa 7-fach erhöhtes Risiko, bereits unter 50 Jahren selbst Darmkrebs zu entwickeln.
Die Ärzte und Wissenschaftler empfehlen Diabetikern daher, die Möglichkeiten zur Darmkrebsfrüherkennung in Deutschland wahrzunehmen – spätestens, wenn sie 50 Jahre alt sind. „Unsere Studie konnte zeigen, dass Diabetiker ein erhöhtes Risiko haben, bereits vor dem 50. Lebensjahr an Darmkrebs zu erkranken. Dies ist wichtig zu wissen, um diesen Menschen zukünftig früher ein risikoangepasstes Darmkrebsscreening anzubieten“, sagte Fallah. Darmkrebs ist in Deutschland und weltweit die dritthäufigste Krebsart und sogar die zweithäufigste Krebstodesursache. In den vergangenen Jahren hat vor allem die Zahl der jungen Darmkrebspatienten zugenommen. Es sei daher wichtig, spezifische Risikofaktoren für Darmkrebs bei jungen Erwachsenen zu identifizieren, sodass Hochrisikopersonen früher von einer Vorsorgeuntersuchung profitieren können, erklären die Wissenschaftler. Derzeit haben Frauen und Männer in Deutschland ab 50 Jahren Anspruch auf Maßnahmen zur Darmkrebsfrüherkennung.
Pro Jahr erkranken in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) etwa 2600 Personen an Dünndarmkrebs und 58.000 Personen an Dickdarmkrebs. Die Diagnose Darmkrebs wird damit im Laufe des Lebens bei einem von 17 Männern und einer von 20 Frauen gestellt. Dabei erkranken mehr als die Hälfte der Patienten jenseits des 70. Lebensjahres. Etwa zwei Drittel aller Darmkrebs-Erkrankungen werden im Dickdarm entdeckt. Die Neuerkrankungsrate in allen Darmabschnitten, außer im aufsteigenden Kolon, ab. Die Hälfte der malignen Tumore des Dünndarms sind neuroendokrine Tumoren (NET). Sowohl die Neuerkrankungs- als auch die Sterberaten sind seit 1999 angestiegen.
Über die Risikofaktoren für Dünndarmkrebs ist wenig bekannt: Als mögliche Risikofaktoren werden das Lynch-Syndrom, das Peutz-Jeghers- Syndrom, die familiäre juvenile Polyposis und Mukoviszidose sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn) diskutiert. Patienten mit Morbus Recklinghausen haben ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Stromatumore. Ein kleiner Anteil scheint erblich bedingt zu sein (familiäres GIST-Syndrom). Bei Dickdarmkrebs zählen Tabakkonsum, Alkohol-Abusus, der übermäßige Verzehr von rotem Fleisch und Übergewicht zu den wichtigsten Risikofaktoren. Sind Verwandte ersten Grades erkrankt, so steigt das Risiko an Darmkrebs zu erkranken. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen steigern das Erkrankungsrisiko in geringerem Umfang.
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