FDA-Zulassung

Diabetes: Zellen von Verstorbenen ersetzen Insulin-Therapie Sandra Piontek, 28.11.2023 08:25 Uhr

Typ-1-Diabetiker:innen sind ein Leben lang auf eine Insulin-Therapie angewiesen. Foto:shutterstock.com/JF19
Berlin - 

Derzeit leben etwa 0,4 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung mit der Diagnose Typ-1-Diabetes. Allen fehlt das lebenswichtige Hormon Insulin, welches ein Leben lang substituiert werden muss. Eine Zulassung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA könnte für etliche Betroffene eine erhebliche Erleichterung bringen. Der Clou: Die Zelltherapie mit Donislecel (Lantidra) besteht aus Insulin-produzierenden Inselzellen von verstorbenen Spendern.

In Deutschland sind laut dem Deutschen Diabetes-Zentrum etwa 373.000 Menschen an Typ-1-Diabetes erkrankt. Bei der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes werden insulinproduzierende Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. Der Blutzuckerspiegel kann so nicht mehr auf eine natürliche Weise reguliert werden: Es muss ein Leben lang Insulin gespritzt werden. In manchen Fällen sind Patient:innen auch auf eine Insulinpumpe angewiesen. Eine neu zugelassene Zelltherapie könnte das Leben vieler Diabetiker:innen signifikant verändern.

Inselzellen produzieren Insulin

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat kürzlich das Therapeutikum Donislecel (Lantidra) des Unternehmens Celltrans zugelassen. Profitieren können alle Typ-1-Diabetiker:innen, deren HbA1C-Zielwerte mit einer herkömmlichen Therapie nicht erreicht werden. Die Suspension mit Inselzellen von verstorbenen Spendern wird therapiebedürftigen Diabetiker:innen per Infusion in die Pfortader verabreicht. Einmal in der Leber angekommen, beginnen die neuen infundierten Insel-Beta-Zellen Insulin abzusondern. Wenn die infundierten Zellen genug Insulin für den Körper produzieren, können sie den Blutzuckerspiegel regulieren, ohne dass zusätzliche Insulininjektionen oder Pumpen erforderlich sind. Folgende blutzuckerregulierenden Hormonen werden angekurbelt:

  • Glucagon – Steigerung des Blutzuckerspiegels
  • Somatostatin – fungiert als Stoppschild für andere Hormone
  • Ghrelin – Steuerung des Hunger- und Sättigungsgefühl

Besonders positiv: In der Regel reicht eine einmalige Gabe von Donislecel aus, damit sich genügend Inselzellen ansiedeln. In einigen Fällen können jedoch auch mehrere Anwendungen nötig sein, so der Hersteller. Unterstützend bekommen die Patienten und Patientinnen zusätzlich Immunsuppressiva.

Fünf Jahre ohne Insulin-Therapie

Die Zulassung stützt sich auf zwei Zulassungsstudien mit insgesamt 30 Proband:innen mit einem Durchschnittsalter von etwa 46 Jahren. Elf der Teilnehmer:innen bekamen nur eine Infusion, allen anderen wurden in Abständen von einem Monat bis mehreren Jahren zwei oder drei Infusionen verabreicht. Das Ergebnis: 21 von 30 Diabetiker:innen konnten ein Jahr nach Infusionsgabe auf eine weitere Insulintherapie verzichten. Von den 21 Teilnehmer:innen benötigten zwölf Probanden für weitere ein bis fünf Jahre kein Insulin mehr. Und von diesen konnten neun Teilnehmer:innen sogar über fünf Jahre von der Inselzell-Infusion profitieren.

Aber es gab auch Misserfolge: Bei fünf Teilnehmer:innen sprach die Therapie nicht an. Immerhin vier Teilnehmer:innen konnten wenigstens kurzzeitig ohne Insulin auskommen.

Die Kehrseite der positiven Ergebnisse sind allerdings gehäufte unerwünschte Nebenwirkungen:

  • 87 Prozent der Proband:innen kämpften mit Übelkeit, Müdigkeit, Blutarmut, Durchfall und Bauchschmerzen
  • in seltenen Fällen kam es zu Anämien
  • Immunsuppressiva können zudem Infektionen und malignen Neubildungen auslösen

„Die Zulassung, die erste Zelltherapie zur Behandlung von Patienten mit Typ-1-Diabetes, bietet Personen, die mit Typ-1-Diabetes und wiederkehrender schwerer Hypoglykämie leben, eine zusätzliche Behandlungsoption, um den Ziel-Blutzuckerspiegel zu erreichen“, sagte Peter Marks, Direktor des FDA-Zentrums für Biologische Bewertung und Forschung.