Mehrmals am Tag müssen Diabetiker ihren Blutzucker messen und sich Insulin spritzen. Besonders bei Patienten, die sehr aktiv sind oder unregelmäßig essen, schwankt der Blutzuckerspiegel stark. Um ihnen das Leben zu erleichtern, arbeiten Forscher an einer künstlichen Bauchspeicheldrüse. Bis es so weit ist, helfen Insulinpumpen, die die Apotheken vor neue Herausforderungen stellen.
Insulinpumpen funktionieren ähnlich wie eine intensivierte konventionelle Therapie: Eine Basalrate deckt den Grundbedarf; üblicherweise wird über einen dünnen Kunststoffkatheter schnell wirksames Insulin im Abstand von wenigen Minuten ins Unterhautfettgewebe abgegeben. Mit Boli werden Korrekturen vorgenommen. In der Pumpe befindet sich ein Reservoir – entweder Ampullen, die selbst mit Insulin befüllt werden, oder fertige Ampullen.
Die erste Insulinpumpe kam bereits 1978 auf den Markt. 2006 gab es erstmals ein integriertes System aus Insulinpumpe und kontinuierlicher Glukosemessung. Die Messtechnik und die Sensoren haben sich seitdem stetig verbessert, sodass sich Diabetiker mit einem solchen System im Alltag kaum noch Gedanken um ihre Werte machen müsen. Die Geräte erkennen auch eine drohende Unterzuckerung und schalten die Insulingabe ab. Medtronic hat im Frühjahr ein Gerät herausgebracht, dass sich auch wieder einschaltet, sobald der Blutzuckerspiegel wieder auf einem normalen Niveau ist.
Nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft Diabetologische Technologie (AGDT) tragen rund 10 bis 15 Prozent aller Typ-1-Diabetiker eine Insulinpumpe. Das entspricht rund 40.000 Patienten. Exakte Zahlen gibt es nicht.
Von sogenannten Closed-Loop-Systemen, bei denen ein Sensor kontinuierlich den Glukosespiegel misst und entsprechend Insulin abgibt, sind die Insulinpumpen aber noch weit entfernt. Eine der größten Herausforderungen ist es, Algorithmen für die Insulingabe zu entwickeln. Denn wie hoch der Blutzuckerspiegel sein darf, hängt davon ab, ob der Patient schläft, am Arbeitsplatz sitzt oder intensiv Sport treibt. Bei der Berechnung muss auch berücksichtigt werden, dass die Glukosemessung nicht im Blut, sondern im Gewebe erfolgt – es also zeitliche Verzögerungen gibt.
Pumpen für den deutschen Markt werden hauptsächlich von Medtronic, Roche, Animas, das wie Lifescan zu Johnson & Johnson gehört, und dem Schweizer Hersteller Ypsomed geliefert.
Die verschiedenen Systeme funktionieren sehr unterschiedlich. Entsprechend variieren auch die notwendigen Verbrauchsmaterialien. Damit Apotheken Patienten versorgen können, müssen sie meist Hilfsmittelverträge mit den Kassen abschließen. Bei der Techniker Krankenkasse (TK) gibt es eine Genehmigungsfreigrenze, die bei 250 Euro pro Monat liegt. Die Bahn BKK beispielsweise zahlt eine Pauschale von 205 Euro pro Patient und Monat, die AOK Bayern seit Februar 170 Euro. Andere Kassen zahlen dem Vernehmen nach bis zu 20 Prozent weniger.
Das Problem von Pauschalen ist – wie in anderen Bereichen –, dass der Wareneinsatz von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ist und auch von den verwendeten Pumpen abhängt. Ein Beispiel für das Infusionsset Accu-Check FlexLink von Roche: Wechselt ein Patient alle drei Tage die Kanüle und alle sechs Tage den Schlauch, braucht er rund 120 Kanülen und 60 Schläuche im Jahr, der vom Hersteller empfohlene Verkaufspreis liegt bei insgesamt 1500 Euro. Für 60 Leerampullen werden rund 200 Euro fällig, für Adapter und Batteriefachdeckel 80 Euro. Pro Monat entstehen so Kosten von rund 150 Euro.
Anders sieht es aus, wenn beispielsweise das System Accu-Chek Rapid-D Link verwendet wird und der Patient täglich die Nadel wechselt. Denn sie machen den größten Posten aus, 25 Stück kosten im Verkauf rund 180 Euro. Braucht ein Patient tatsächlich jeden Tag eine neue Nadel, werden im Quartal mit Ausgaben für Service-Paket, leere Ampullen, Nadeln und Schläuche 920 Euro fällig, also mehr als 300 Euro im Monat. Werden die Nadeln öfter als alle zwei Tage gewechselt, wird es also eng mit der Pauschale.
Selbst bei sparsameren Verbrauchern sind 170 Euro knapp: Ein Apotheker aus Bayern rechnet vor, dass ein Privatpatient alle zwei Monate 25 Ampullen, 25 Kanülen und 20 Schläuche kauft und dafür rund 350 Euro zahlt. Das entspricht 175 Euro im Monat. Und die im Service-Paket enthaltenen Batterien kauft der Patient nicht in der Apotheke. Die AOK-Pauschale deckt in diesem Fall zwar noch den Einkaufspreis von 135 Euro, liegt aber bereits unter dem Verkaufspreis.
Insulinpumpen erhalten vor allem Typ-1-Diabetiker, bei denen der Blutzuckerspiegel stark schwankt, und Kinder. Die AGDT, eine Arbeitsgruppe der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, führt seit einigen Jahren das Insulinpumpenregister, mit dem der Übergang von einer intensivierten Insulintherapie auf eine Pumpentherapie und Gründe dafür erfasst werden sollen. Patienten, die eine Insulinpumpe erhalten, füllen dafür einen Fragebogen aus.
Dr. Wulf Quester, der für das Register verantwortlich ist, hat in einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Der Diabetologe“ veröffentlicht wurde, die Hauptgründe für eine Insulintherapie untersucht. Dafür wurden mehr als 2000 Fragebögen ausgewertet. Hauptgrund für die Umstellung auf eine Insulinpumpe war demnach das Vorliegen einer unbefriedigenden Stoffwechsellage, verbunden mit einem Wunsch nach mehr Flexibilität.
22 Prozent der Patienten beklagten in der Umfrage schwere Unterzuckerungen, 31 Prozent nächtliche Hypoglykämien, 63 Prozent große Glukoseexkursionen im Tagesverlauf und 53 Prozent hohe frühmorgendliche Nüchternwerte. Bei Frauen wurde in 17 Prozent der Fälle wegen einer geplanten oder eingetretenen Schwangerschaft mit der Pumpentherapie begonnen. Zwei Drittel der Patienten wünschten sich mehr Flexibilität.
Laut Quester gelten drei Effekte einer Diabetestherapie mit Insulinpumpen als gesichert: die Verbesserung des HbA1c-Wertes, die Reduktion von Hypoglykämien und die Steigerung der Lebensqualität.
Bereits zu Beginn der Pumpenbehandlung gaben 63 Prozent der Patienten an, besser im Alltag zurecht zu kommen. 58 Prozent gaben eine bessere körperliche, 70 Prozent eine bessere geistige Leistungsfähigkeit an. Damit geht für 64 Prozent eine Abnahme der diabetesbezogenen Probleme am Arbeitsplatz einher, 73 Prozent spüren weniger Probleme in der Familie. 97 Prozent der Befragten waren mit der Therapie zufrieden.
In seiner Studie kritisiert der Mediziner, dass Krankenkassen für gewöhnlich die Kosten für eine Pumpentherapie mit Blick auf eine absehbare Verbesserung der HbA1c-Werte übernehmen. Das Pumpenregister zeige aber auch die großen psychologischen und sozialmedizinischen Verbesserungen. „Diese Ergebnisse können nicht missachtet werden“, findet er.
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