Das Hamburger Biotechunternehmen Evotec ist offenbar ohne eigenes Zutun in einen Betrugsverdacht verwickelt. Für das Diabetes-Prüfpräparat DiaPep277 sollen Daten gefälscht worden sein. Das Molekül wurde vom Göttinger Biotechnikunternehmen Develogen entwickelt und 2007 an das israelische Start-up Andromeda Biotech auslizenziert. Diese führten die Studien durch. 2010 übernahm Evotec Develogen und erhielt damit die Rechte an dem Projekt.
Im Juni übernahm schließlich der US-Hersteller Hyperion Andromeda, auch um Zugriff auf das vielversprechende Diapep277 zu erhalten. „Die Aufnahme von DiaPep277 in unsere Pipeline ist eine ausgezeichnete strategische Ergänzung, da sie einen potenziellen kurzfristigen kommerziellen Gewinn in einem größeren Indikationsgebiet verspricht“, sagte Donald J. Santel, Präsident von Hyperion damals. In den USA hat der Wirkstoff den Status „Orphan Drug“.
Jetzt hat Hyperion laut eigener Angaben Beweise dafür, dass Mitarbeiter von Andromeda Studienergebnisse manipuliert hätten. Andromeda habe gemeinsam mit einem Bioinformatik-Dienstleister in Israel die Verblindung einer Phase III-Studie unterlaufen und anschließend die gewonnenen Daten dazu genutzt, um Analysen zu manipulieren. So sollte ein günstigeres Ergebnis erzielt werden. Die betreffenden Mitarbeiter seien suspendiert worden und die Sache bei den Behörden gemeldet.
In der multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Parallelgruppen-Studie wurden die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit über einen 24-Monats-Zeitraum an 474 neu diagnostizierten Typ-1-Diabetes-Patienten im Alter von 20-45 Jahren untersucht. Der primäre Endpunkt war die Erhaltung der Glucagon-stimulierten C-Peptid-Sekretion. Die Studie wurde an 100 Standorten in Nordamerika, Europa, Israel und Argentinien durchgeführt, die Ergebnisse wurden für das erste Quartal 2015 erwartet.
Hyperion erwartet einen Buchverlust von 25 bis 55 Millionen US-Dollar. Der Konzern will die laufende Studie bis zum Ende durchführen, jedoch die weitere Entwicklung des Programms beenden und gegen die Verantwortlichen gerichtlich vorgehen. Die Übernahme von Andromeda Biotech hat der Konzern zurückgezogen.
Evotec muss laut eigener Angaben im Zuge des Vorfalls rund 8,7 Millionen Euro abschreiben, da das Präparat vermutlich nicht mehr auf den Markt gebracht werde. Zwar hatte das Unternehmen mit der Produktentwicklung von Diapep277 nichts zu tun. DiaPep277 ist jedoch einer der fortgeschrittenen Pipeline-Projekte, für die Evotec Lizenzgebühren und Meilensteine erhält. Evotec habe kaum noch Aussicht auf mögliche Prämien und Umsatzbeteiligungen.
Offene Forderungen gegen Andromeda/Hyperion, die wegen der Übernahme von Andromeda fällig geworden seien, beliefen sich auf die 3,4 Millionen Euro. Dadruch wird Evotec in die Verlustzone rutschen: Diese Zahlung sei notwendig, um die Rentabilität im laufenden Geschäftsjahr zu erfüllen.
DiaPep277 ist ein 24-Aminosäuren-Peptid aus menschlichen Hsp60-Proteinen. Das Peptid wirkt auf den Autoimmunangriff von Betazellen der Bauchspeicheldrüse. DiaPep277 soll die endogene Insulinsekretion bewahren, indem die Beta-Zell-Zerstörung behindert wird, ohne Auswirkungen auf andere wichtige immunologische Funktionen oder die systemische Immunsuppression zu haben.
Die Behandlung von neu aufgetretener Typ-1-Diabetes mit DiaPep277 soll das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen, die Stoffwechseleinstellung aufrecht erhalten und Risiken für diabetische Komplikationen reduzieren. DiaPep277 wurde über eine subkutane Injektion alle drei Monate verabreicht. Mehr als 500 Kinder und Erwachsene mit Typ-1-Diabetes nahmen an mehr als einem Dutzende klinischer Studien teil.
Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung in der Erhaltung von Glucagon-stimulierter C-Peptid-Sekretion. DiaPep277 war sicher und gut verträglich; zwischen den Behandlungsarmen und Placebo wurden keine signifikanten Unterschiede bezüglich der schweren Nebenwirkungen oder Nebenwirkungen beobachtet.
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