Der breitflächige und zu häufige Einsatz von Antibiotika wird häufig kritisiert. Wie Iqvia nun jedoch herausfand, ist der Trend der Verordnungen in Deutschland in den vergangenen Jahren rückläufig – vor allem während der Corona-Pandemie konnte sich der positive Effekt demnach verfestigen.
Ein hartnäckiger Husten hier, ein quälender Schnupfen da – oft erwarten Betroffene von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin, dass ein Antibiotikum verordnet wird. Meist handelt es sich dabei jedoch um virale Infekte, auf die antibiotische Wirkstoffe keinen Einfluss nehmen. Dennoch wird häufig kritisiert, dass in vielen Fällen zu schnell eine Antibiose verordnet wird. Das kann Resistenzen fördern und langfristig zu massiven Problemen führen.
Wie der Marktforschungsriese Iqvia nun herausfand, ist der Trend der Antibiotika-Verordnungen in Deutschland in den vergangenen Jahren jedoch zurückgegangen. Vor allem während der Pandemie habe sich der Trend noch verstärkt, so das Fazit. Der Effekt sei stärker, als zu erwarten gewesen wäre. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Antibiotics“ vorgestellt.
Antibiotika-Resistenzen entwickeln sich seit Jahren zu einem immer größeren Problem, denn multiresistente Keime sind schwer zu behandeln. Nicht selten versterben gesundheitlich vorbelastete Patient:innen an den Folgen einer solchen Infektion. Ein wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung solcher Resistenzen ist das ärztliche Verordnungsverhalten – denn je häufiger ein Antibiotikum (unnötig) verordnet wird, umso öfter kommt der Erreger mit dem Wirkstoff in Kontakt. Dadurch kann er Resistenzmechanismen entwickeln, welche dazu führen, dass das Antibiotikum seine Wirksamkeit verliert. Entsprechend sparsam sollten Ärzte die Wirkstoffe verordnen.
„Genau dieses Konzept verfolgen verschiedene Leitlinien der Facharztgesellschaften, und so sind seit einigen Jahren die rezeptierten Mengen an Antibiotikadosen in Deutschland tatsächlich gesunken. Doch dann kam die Pandemie und durchschüttelte in großem Maße das Gesundheitssystem auf allen Ebenen“, so Iqvia.
Die Sorge: Die Resistenzentwicklung könnte an Fahrt gewonnen haben, da hospitalisierte Corona-Patient:innen häufig mit Antibiotika behandelt wurden, um Superinfektionen zu vermeiden – obwohl es vergleichsweise selten zu bakteriellen Co-Infektionen kam. Aktuelle Daten zeigen jedoch, dass sich der Rückwärtstrend entgegen aller Bedenken während der Pandemie fortgesetzt hat.
Zur Analyse wurde eine retrospektive Querschnittsstudie aufgesetzt, die auf Daten der Disease-Analyzer-Datenbank von Iqvia basiert: Eingeschlossen wurden alle Patient:innen, die zwischen Januar 2011 und Dezember 2021 mindestens einmal eine der 477 in der Datenbank vertretenen Hausarztpraxen in Deutschland aufgesucht hatten. Insgesamt waren dies mehr als 4.175.000 Menschen. Mehr als 1.165.000 Patient:innen erhielten in diesem Zeitraum Antibiotika-Verordnungen.
Es zeigte sich, dass Antibiotika-Verordnungen ab dem Jahr 2015 begannen zu sinken – Iqvia ermittelte eine Zahl von 505 Patient:innen pro Praxis. Diese Entwicklung hielt bis 2021 an: 2020 waren es 300 Patient:innen pro Praxis, 2021 nur noch 266 Patient:innen pro Praxis. Der stärkste Rückgang wurde 2020 beobachtet – minus 27,4 Prozent bei Frauen und minus 30,1 Prozent bei Männern.
Der Trend lasse sich allein durch die strengeren Hygieneregeln nicht erklären, so Iqvia. So wurden im Jahr 2021 rund 46 Prozent weniger akute Infektionen der unteren Atemwege, 19 Prozent weniger chronische Erkrankungen der unteren Atemwege und 10 Prozent weniger Erkrankungen der Harnwege diagnostiziert. „Damit gingen Verschreibungszahlen von Antibiotika im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie stärker zurück als die Rate an Infektionskrankheiten“, fasst Professor Dr. Karel Kostev, wissenschaftlicher Leiter der epidemiologischen Forschung bei Iqvia Deutschland, zusammen.
Zwar sei es insgesamt positiv, dass Antibiotika seit Jahren seltener verordnet werden. „Jedoch ist die Anzahl der Patienten, die trotz fehlendem Beweis der bakteriellen Infektion Antibiotika-Verordnungen erhalten, immer noch sehr hoch“, so Iqvia. Wie sich dieser Trend in nächsten Jahren entwickelt, soll jetzt weiter beobachtet werden.
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