Desvenlafaxin: Was kann der aktive Hauptmetabolit? Cynthia Möthrath, 14.09.2022 08:01 Uhr
Mit Desveneurax von Neuraxpharm kommt in Europa erstmals der aktive Metabolit von Venlafaxin auf den Markt. Damit steht zur Behandlung der Major Depression eine neue Therapieoption zur Verfügung. Doch was kann der aktive Hauptmetabolit des Antidepressivums? Ein Überblick.
Sowohl die Muttersubstanz Venlafaxin als auch der aktive Metabolit Desvenlafaxin wirken als starke und selektive Inhibitoren von Serotonin- und Noradrenalin-Transportern. Sie zählen damit zu den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI). Desvenlafaxin kann ohne Einschränkungen zur Behandlung der Major Depression bei Erwachsenen eingesetzt werden und eignet sich als First-Line-Therapie. Die Startdosierung liegt bei 50 mg, nach Bedarf kann die Dosis schrittweise in Intervallen von mindestens sieben Tagen auf bis zu 200 mg pro Tag angehoben werden. Die Einnahme erfolgt einmal täglich.
Unterschiede in der Metabolisierung
Im Vergleich zu Venlafaxin kommt es bei Desvenlafaxin bereits in niedrigen Dosierungen zu einer noradrenergen Wirkung. Daher sind oft niedrigere Dosierungen für den gewünschten Effekt notwendig. Denn im Unterschied zu Venlafaxin wird Desvenlafaxin nicht von CYP2D6 metabolisiert, sondern hauptsächlich renal ausgeschieden. Bei Patient:innen mit Leberfunktionsstörungen ist daher keine Dosisanpassung erforderlich.
Weniger Nebenwirkungen durch Desvenlafaxin?
Aufgrund der geringen Affinität zu muskarinisch-cholinergen, H1-histaminergen oder Alpha1-adrenergen Rezeptoren wird das Potenzial für pharmakokinetische und pharmakodynamische Wechselwirkungen reduziert. Desvenlafaxin kann daher auch bei multimorbiden Patienten mit Polypharmazie eine geeignete Therapieoption sein.
Oft spielen bei Antidepressiva die Nebenwirkungen eine große Rolle. Denn diese gefährden nicht selten die Compliance. „Die Behandlung der Major Depression ist sehr individuell und oft auch herausfordernd. Trotz zahlreicher medikamentöser Therapieoptionen leiden zahlreiche Patienten unter unzureichender Wirkung und/oder Nebenwirkungen. Ein Wechsel auf einen anderen Wirkstoff kann dann sinnvoll sein“, erläutert Dr. med. Christian Queckenberg, Leiter der medizinischen Abteilung bei Neuraxpharm.
Desvenlafaxin konnte in Studien ein gutes Nebenwirkungsprofil erreichen: So wurde beispielsweise keine Gewichtszunahme vs. Placebo beobachtet. Außerdem wurde eine häufige unerwünschte Wirkung von Antidepressiva – die sexuelle Dysfunktion – unter Desvenlafaxin deutlich seltener beobachtet. In einer multizentrischen prospektiven Studie mit 72 Patienten verbesserten sich sexuelle Funktionsstörungen sowohl bei Desvenlafaxin-naiven depressiven Patienten, die eine Behandlung mit dem Wirkstoff begannen, als auch bei denjenigen, die wegen sexueller Dysfunktion von einem anderen Antidepressivum auf Desvenlafaxin wechselten.
Steiniger Weg zur EU-Zulassung
In den USA ist der aktive Metabolit von Venlafaxin bereits seit 2008 zugelassen. In Europa wurde 2009 ebenfalls ein Versuch gestartet – allerdings lehnte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) den Antrag auf Zulassung damals ab. Die Begründung: Die Wirksamkeit des Metaboliten – damals unter dem Namen Ellefore (Wyeth) – sei nicht überzeugend. Es würden sich keine Vorteile mit Blick auf Sicherheit und Verträglichkeit bieten – es schien im Vergleich zur Muttersubstanz sogar weniger wirksam zu sein. Außerdem gab der CHMP an, die Daten zur Kurzzeit- und Langzeitwirkung seien unzureichend. Es wurden daher weitere Daten eingereicht, die schließlich nach 14 Jahren doch noch zur Zulassung geführt haben.