OTC-Produkte

Finalgon will raus aus der Nische APOTHEKE ADHOC, 14.01.2016 09:27 Uhr

Berlin - 

2009 musste Boehringer den Verlust seines Klassikers „Finalgon extra stark“ verkraften: In der Nachzulassung fiel das Produkt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durch. Einige Jahre später durfte der Konzern das Schmerzmittel zwar unter anderem Namen wieder einführen, allerdings fristet es seitdem in Kliniken und Arztpraxen ein Nischendasein. Das soll sich ändern: Mit neuen Studien versucht Boehringer, die Salbe für die Behandlung von Schmerzen zurück in die Sichtwahl zu bringen.

„Finalgon extra stark“ enthält 4 mg Nonivamid und 25 mg Nicoboxil pro Gramm und wurde schon in den 1950er Jahren als „Heilkissen in der Tube“ gegen Muskel- und Gelenkschmerzen beworben. Seit dem Aus darf Boehringer nur die halb so stark dosierte „Finalgon Wärmecreme stark“ vertreiben. Das ursprüngliche Produkt wurde zwar vier Jahre später als „Finalgon Salbe“ wieder eingeführt – ist aber nur noch zur Förderung der Hautdurchblutung im Vorfeld von kapillaren Blutentnahmen zugelassen. Auf die weitaus größere Indikation zur Schmerzbehandlung musste der Konzern verzichten.

Jetzt unternimmt Boehringer einen neuen Anlauf, um den Klassiker aus seiner Nische zu holen: Mit neuen Daten will der Hersteller die Indikation „Schmerz“ wieder in die Gebrauchsinformation aufnehmen lassen. In der dafür durchgeführten Studie schnitt die Wirkstoffkombination gegenüber der Placebogruppe signifikant besser ab: Die Patienten bewerteten die Schmerzen im unteren Rückenbereich nach vier Tagen im Vergleich zu Therapiebeginn als deutlich geringer.

Dass die Patienten aufgrund der Wärmeentwicklung durch die Wirkstoffe erkennen, ob sie in der Placebo- oder der Verumgruppe eingeteilt sind, hält Boehringer für unwahrscheinlich. Die Haut am Rücken sei zu unempfindlich, um einen Unterschied wahrzunehmen, so ein Sprecher. Wenn man den Patienten mitteile, dass mit einer Erwärmung zu rechnen sei, trete ein solcher Effekt häufig auch in der Placebogruppe auf.

Das Problem: Bei Patienten, die nur den Einzelwirkstoff Nonivamid erhalten hatten, wurde eine fast ebenso starke Schmerzlinderung beobachtet wie bei den Studienteilnehmern, die beide Wirkstoffe aufgetragen hatten. Die sogenannte „Kombinationsrationale“, die vom BfArM für die Zulassung eines Kombinationsarzneimittels gefordert wird, wurde damit nicht erreicht.

Boehringer hofft dennoch, Finalgon-Salbe irgendwann wieder gegen Schmerzen vermarkten zu können. Derzeit verweist der Konzern darauf, dass Ärzte auf Basis der neuen Studiendaten das Produkt off-label verschreiben können. Proaktiv werde dies aber nicht beworben. Dennoch sei man zuversichtlich, demnächst neue Daten für die Finalgon-Produkte vorlegen zu können, die die Wirksamkeit und Sicherheit der Palette für den Einsatz bei Schmerzen belegen können.

Darunter fällt auch die „Finalgon Wärmecreme stark“. Eine gerade abgeschlossene Studie soll Belege für die schmerzlindernde Wirkung des niedriger dosierten Produktes liefern. Derzeit ist die Creme nur indirekt gegen Schmerzen einsetzbar: Laut Indikation sollen die Wirkstoffe im Rahmen der Schmerzbehandlung die Durchblutung fördern. Aufgrund dieser Formulierung darf aber laut Heilmittelwerbegesetz (HWG) auch nur für die Durchblutungsförderung, nicht aber für die Wirkung gegen Schmerzen geworben werden.

Zumindest die Capsicum-Variante, „Finalgon CPD Wärmecreme“, ist derzeit uneingeschränkt bei Schmerzen anwendbar. Laut Gebrauchsinformation besteht die Indikation für die „Linderung von Muskelschmerzen im Bereich der Schulter, Hals- und Lendenwirbelsäule, bei Weichteilrheumatismus und Verspannungen“. Auch hier will Boehringer neue Daten liefern: In einer klinischen Studie zeigte die Capsicum-Creme eine bessere Wirkung als Placebo.

Das Finalgon-Sortiment war in den vergangenen Jahren mehrfach überarbeitet worden. Demnächst steht eine weitere Veränderung an: Die „Finalgon Wärmecreme stark“ soll demnächst unter dem Namen „Finalgon Wärmecreme duo“ eingeführt werden. Boehringer hatte sich mit dem BfArM über die Bezeichnung gestritten; die Behörde hatte sich gegen den Namen gesperrt: Einerseits ist die „starke“ Variante schwächer dosiert als die „Finalgon Salbe“, andererseits gibt es keine Creme mit geringerer Dosierung der beiden Wirkstoffe. Anfang Dezember gab es vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG) einen Vergleich.

Auch über die Capsicum-Variante wurde gestritten. Das als „Finalgon Capsicum Creme“ eingeführte Produkt war 2011 zu Wärmecreme umbenannt und der lateinische Zusatz durch das Kürzel CPD (Cayennpfeffer-Dickextrakt) ersetzt worden. Das BfArM konnte damit nichts anfangen und lehnte den Antrag ab. In diesem Fall entschied das VG zugunsten des Herstellers: Entscheidend sei nicht der Wirkstoff, sondern die Indikation – insbesondere wenn das klinische Profil ähnlich sei. Hier steht keine Änderung an, denn Boehringer hatte das Produkt bereits umbenannt. Bis August 2010 konnten Hersteller mit Einreichung der Änderungsanzeige die Bezeichnung im Markt bereits umsetzen, da es sich um eine nicht zustimmungspflichtige Änderungsanzeige handelte.