Depression

Gene aus dem Takt Dr. Kerstin Neumann, 04.12.2015 14:39 Uhr

Berlin - 

Bei Depressionen spielen Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin eine entscheidende Rolle – die Mechanismen sind weitgehend unbekannt. Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München konnten zeigen, dass das Gleichgewicht im synaptischen Spalt genetisch gesteuert wird. Wirkstoffe wie Paroxetin beeinflussen demnach über bestimmte DNA-Methylierungen die Genexpression.

Die Epigenetik erklärt, wie aus identischer Erbinformation unterschiedliche Proteine und Zellen entstehen. Dafür muss in bestimmten Situationen das richtigen Gen an- und abgeschaltet werden. Wichtig ist dabei das Methylierungsmuster der DNA: Je nach Situation werden an ganz bestimmten Stellen des Erbgutes Methylgruppen angelagert oder gelöst, die die Expression der benötigten Gene herauf- oder herabsetzen können.

Das Epigenom unterliegt vielen Einflussfaktoren. So ist beispielsweise gut bekannt, dass Stresssituationen das Methylierungsmuster der DNA verändern. Folge ist eine dauerhafte Unordnung in der Genexpression. Auf diese Weise kann Stress auch zu langanhaltenden depressiven Zuständen führen.

Die Forschergruppe um Dr. Theo Rein konnte zeigen, dass ein Protein mit Namen FKBP51 dabei eine große Rolle spielt. Wenn FKBP51 im Körper vorhanden ist, wird die Aktivität des epigenetischen Enzyms DMNT1 vermindert. Diesen funktionalen Zusammenhang beschreiben Rein und Kollegen im Fachjournal „Science Signaling“. Die Folge ist eine Demethylierung der DNA – die auch bei der Ausprägung depressiver Verstimmungen eine Rolle spielt.

FKBP51 ist als Einflussfaktor bei Depressionen bereits bekannt. Bislang war vermutet worden, dass das Enzym als „Stressprotein“ Glukokortikoid-Rezeptoren moduliert und so in das depressive Geschehen eingreift. Ein Zusammenhang zwischen dem Protein und Veränderungen des Epigenoms wurde aber nicht festgestellt.

Die Münchener Wissenschaftler untersuchten, ob Antidepressiva die Interaktion zwischen FKBP51 und DNMT1 beeinflussen können. Im Labor wurden Blutzellen von Menschen mit diagnostizierter Depression mit Paroxetin behandelt. Das Resultat: Wenn der Wirkstoff präsent war, zeigte sich eine deutlich stärkere Demethylierung der DNA als bei den Zellen, die nicht mit Paroxetin behandelt wurden.

Am interessantesten war für die Forscher dabei der Befund, dass das Antidepressivum die Aktivität von DMNT1 nur dann herabsetzte, wenn gleichzeitig FKBP51 in der Zelle vorhanden war. Die Schlussfolgerung daraus: Paroxetin interagiert offenbar nicht selbst mit dem Enzym, sondern verstärkt das Zusammenspiel zwischen den beiden natürlichen Eiweißen. Patienten, die FKBP51 nicht oder nur wenig exprimieren, profitieren damit weniger von der Behandlung als Personen mit dem Protein.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen erhoffen sich Rein und Kollegen neue Ansätze für die antidepressive Therapie. Zum einen eröffne sich nun die Möglichkeit, die Behandlung besser auf einzelne Patienten abzustimmen, so die Forscher. Zum anderen können noch gezielter Medikamente entwickelt werden. DNMT1 sei bisher beispielsweise noch kein Angriffspunkt für die Entwicklung neuer Wirkstoffe gewesen.

Etwa 30 Prozent der Bevölkerung sind im Laufe des Lebens mindestens einmal von stressbedingter Depression betroffen. Akut leiden nach Schätzungen des statistischen Bundesamtes etwa vier Millionen Patienten akut unter depressiven Beschwerden. Die Therapie ist nicht einfach: Nur jeder dritte Patient spricht auf Antidepressiva an.