PPI: Nur die Spitze des Eisberges Dr. Kerstin Neumann, 22.02.2016 15:12 Uhr
Eine große Studie hat gezeigt, dass ein statistischer Zusammenhang zwischen der Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) und dem Auftreten von Demenz besteht. Die Forscher raten, die Medikamente nur im Rahmen des Notwendigen einzusetzen und unnötige Risiken zu vermeiden. Auch andere Medikamente stehen im Verdacht, Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten auszuüben.
„Bisher besteht kein Kausalzusammenhang“, betont Dr. Britta Hänisch vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn. Die von ihr und ihren Kollegen durchgeführte Studie zeige lediglich statistische Auswertungen, und die reichten nicht aus, um die Verbindung kausal zu beweisen. Verschiedene Studiendesigns und statistische Auswertungen können prinzipiell zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Aus der Luft gegriffen sind die Ergebnisse deshalb aber keinesfalls – im Gegenteil. „Wir haben die Studie ja aus gutem Grund durchgeführt – und sie bestätigt Vermutungen, die von anderen Forschern bereits gemacht wurden“, so Hänisch. So hatte beispielsweise eine spanische Arbeitsgruppe in Tierversuchen festgestellt, dass in Mäusen die Konzentration von beta-Amyloid Plaques nach der Gabe von Lansoprazol deutlich zunahm. Die Plaques sind ein Zeichen einer fortschreitenden Alzheimer-Erkrankung.
Aus anderen Studien seien mechanistische Hinweise aufgetaucht, dass PPIs mit degenerativen Vorgängen im Gehirn zu tun haben. „Es ist mittlerweile klar, dass zumindest einige PPI die Blut-Hirn-Schranke überwinden“, so Hänisch. Damit könnten sie theoretisch sogar direkt in die Vorgänge der Nerven-Degeneration eingreifen. Erst kürzlich wurde außerdem festgestellt, dass PPI einen Vitamin B12-Mangel hervorrufen können, der wiederum mit der Entstehung von Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen zu tun hat. Gründe genug also, um den tatsächlichen Einfluss der Medikamente auf das Gehirn zu untersuchen.
Der Einfluss auf kognitive Prozesse ist mannigfaltig, das bestätigt auch die Expertin des DZNE. „Wir können nicht ausschließen, dass gerade bei älteren Menschen auch andere Einflussfaktoren eine große Rolle spielen. Die PPIs sind vielleicht ein Puzzleteil im gesamten Krankheitsverlauf“. Auch andere Medikamente könnten dabei eine Rolle spielen, wie zum Beispiel Benzodiazepine oder Anticholinergika. „Es gibt eine Menge Daten zu deren Einfluss auf Demenzkrankheiten, die teilweise aber widersprüchlich sind“, sagt Hänisch. Einige Publikationen weisen aber darauf hin, dass auch diese Arzneistoffe das Fortschreiten von Alzheimer begünstigen könnten. „Die müsste man sich auch noch genauer ansehen.“
Umgekehrt gibt es aber auch Beispiele für Medikamente, bei denen protektive Effekte vermutet werden. Dazu zählen beispielsweise Antidiabetika. „Es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen in der Literatur, dass Medikamente gegen Diabetes auch bei neurodegenerativen Erkrankungen sinnvoll sein können“, erklärt die Forscherin. Damit stehen sie nicht allein. „Statine schützen möglicherweise vor vaskulärer Demenz. Dazu gibt es derzeit intensive Diskussionen“.
Für unbedingt notwendig hält Hänisch die Bestätigung ihrer Forschungsergebnisse durch Tierversuche und klinische Studien. „Leider können wir in unserer Arbeitsgruppe nicht alle Untersuchungen selbst durchführen. Das müssen jetzt andere übernehmen.“