Darum bleibt Desogestrel verschreibungspflichtig Nadine Tröbitscher, 06.03.2024 08:07 Uhr
Die Minipille bleibt verschreibungspflichtig. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SAV) hat sich einstimmig gegen den Switch ausgesprochen und ist damit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gefolgt. Dieses hält Desogestrel zur oralen Kontrazeption nicht für die Selbstmedikation geeignet.
Desogestrel gehört zu den Gestagenen der dritten Generation und wird in der Leber durch das Cytochrom P450 (CYP3A)-Isoenzym umgewandelt, um seine Funktion ausüben zu können. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 81 Prozent, die Halbwertszeit bei zwölf Stunden. Im Gegensatz zu anderen Gestagenen ist bei Desogestrel eine durchgehende Einnahme – sprich ohne Pillenpause – möglich. Die Hauptwirkung von Desogestrel basiert auf der Hemmung der Ovulation. Hinzu kommen eine Hemmung der Uterusschleimhaut und der follikularen Entwicklung sowie eine Verdickung des Zervixschleims. Kontraindiziert ist Desogestrel bei schweren Leberfunktionsstörungen und akuten Thromboembolien. Eine Kombination mit Johanniskraut ist zu vermeiden.
Adhärenz
Der Pearl-Index von Desogestrel 75 µg wird auf 0,14 beziffert. Ein SAV-Mitglied wollte wissen, ob Desogestrel so effektiv wirksam ist wie kombinierte orale Kontrazeptiva, da eine höhere Adhärenz erforderlich wäre – der Einnahmezeitraum sollte immer innerhalb desselben Zwölf-Stunden-Fensters erfolgen.
Laut Antragsteller werde die Adhärenz überschätzt. Zudem bieten Gestagenmonopräparate einen Vorteil – es ist kein pillenfreies Intervall nötig, das ein Stolperstein in der Einnahme sein könne. Außerdem merkt der Antragssteller an, dass auch die tägliche Einnahme ein Stolperstein für die Adhärenz darstelle, und zwar unabhängig davon, ob die Pille von Ärzt:innen verschrieben oder oder rezeptfrei sei. Die Antwort überzeugte ein Ausschussmitglied nicht. Der Grund: Es gehe nicht um die tägliche Anwendung, sondern um eine vergessene Einnahme.
Außerdem wurden Bedenken geäußert, ob eine fehlende gynäkologische Untersuchung Sicherheitsrisiken nach sich ziehen könnte. Aber auch mögliche Zyklusstörungen unter Desogestrel wurden diskutiert. Verwiesen wurde auf das Vorgehen in Neuseeland, wo in einem Dreijahreszeitraum einmal eine Praxis aufgesucht werden müsse.
Fälschungen
Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen keine Securpharm-Sicherheitsmerkmale tragen, es sei denn, sie sind auf der Black List (Anhang II zur Delegierten Verordnung) aufgeführt. Bislang ist nur Omeprazol zu 20 mg und 40 mg gelistet. Ein Switch von Desogestrel würde den Wegfall der Securpharm-Kennzeichnung bedeuten.
Alter
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Desogestrel bei Jugendlichen unter 18 Jahren ist nicht erwiesen – es liegen keine Daten vor, heißt es in den Fachinformationen. Daher wurde diskutiert, ob der Switch nur für erwachsene Frauen gelte und ob in diesem Zusammenhang in der Apotheke eine Prüfpflicht des Alters nötig sei.
Switch-Kriterium nicht erfüllt
Ein OTC-Switch von Desogestrel erfülle ein Switch-Kriterium nicht. Dies besage, dass Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterstehen, wenn sie direkt oder indirekt selbst bei korrekter Anwendung eine Gefahr darstellen, falls sie ohne ärztliche Überwachung angewendet werden. Laut Fachinformation müsse vor der Anwendung eine gründliche Anamnese erfolgen und Zyklusstörungen vor der ersten Verschreibung abgeklärt werden. „Dies erfordere ärztliche Supervision.“