Vermeidbarer Faktor

Darmkrebs: Übergewicht erhöht Risiko um 20 Prozent

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Berlin -

Übergewicht erhöht das Darmkrebsrisiko signifikant. Laut Forschenden am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) wurde dieser vermeidbare Risikofaktor in bisherigen Studien deutlich unterschätzt.

Bislang gingen Wissenschaftler:innen aufgrund vorliegender Studien davon aus, dass Übergewicht an der Entstehung von etwa zehn Prozent der Darmkrebserkrankungen beteiligt ist. Welche Rolle das Plus an Kilos wirklich spielt, wurde in einer neuen Analyse fokussiert: „Wir haben die Daten unserer großen DACHS Studie, einer der weltweit größten Darmkrebs-Studien, noch einmal unter die Lupe genommen – mit Blick auf mögliche Verzerrungen, die in anderen Studien nicht ausreichend berücksichtigt wurden“, erklärt Hermann Brenner, Epidemiologe am DKFZ. Er vermutete seit langem, dass die bisherige Schätzung zu niedrig ist.

Entscheidende Fragen fehlten

Durch das neue Studiendesign und die statistische Aufbereitung der gewonnenen Daten sollten Fehlerquellen aus den bisherigen Analysen weitestgehend minimiert werden. Bislang seien bei Standardanalysen die folgenden drei relevanten Fragen nicht ausreichend berücksichtigt, betont Marko Mandic, Erstautor der DKFZ-Studie.

So war beispielsweise nicht klar, ob die Studienteilnehmer als Folge der Krebserkrankung womöglich schon vor der Diagnose abgenommen haben. Denn: „Ein Gewichtsverlust vor der Diagnose kommt bei Darmkrebspatienten häufig vor. Frühere Studien zum BMI und dem Auftreten von Darmkrebs haben daher wahrscheinlich das Ausmaß des Zusammenhangs unterschätzt“, so die Forschenden.

Auch ob die Studienteilnehmer mit erhöhtem Risiko schon einmal eine Darmspiegelung haben durchführen lassen, sei nicht geklärt gewesen. „Entdeckt der Arzt bei dieser Untersuchung Krebsvorstufen, so werden diese in aller Regel entfernt, was die Wahrscheinlichkeit für Darmkrebs senkt“, merken die Forschenden an.

Und abschließend sei die Frage offen geblieben, ob das Darmkrebs-Risiko vielleicht schon unterhalb eines Body Mass Index (BMI) von 25 kg/m2, dem „offiziellen“ Schwellenwert für Übergewicht, ansteige. „Da als biologischer Mechanismus hinter der Entwicklung von Darmkrebs die kontinuierliche Freisetzung von Wachstumsfaktoren, Hormonen und entzündungsfördernden Substanzen durch das Fettgewebe vermutet wird, ist es möglich, dass bei Personen mit einem BMI unter dem Grenzwert das Darmkrebsrisiko bereits steigt“, geben die Forschenden zu bedenken.

„Nur wer die richtigen Fragen stellt, kann die richtigen Antworten bekommen“, weiß Mandic. Deshalb führten die DKFZ-Forscher zwei verschiedene Analysen des DACHS-Datenpools durch. „Im ersten Durchlauf sind wir so vorgegangen, wie es in bisherigen epidemiologischen Studien üblich war“, schildert der Wissenschaftler. „Im zweiten Durchlauf dagegen haben wir mögliche Verzerrungen durch die drei Aspekte – Gewichtsverlust vor Diagnose, Darmspieglung im Vorfeld und Risikoanstieg bereits bei einem BMI unter 25 – sorgfältig herausgerechnet.“

Das führte laut Mandic zu folgenden Ergebnissen: „Bei der konventionellen Analyse im ersten Durchlauf kam heraus, dass 11,5 Prozent der Darmkrebserkrankungen auf das Konto von Übergewicht gehen.“ Dies entspreche den landläufigen Schätzungen. „Im zweiten Durchlauf – nach den sorgfältigen ergänzenden Korrekturen – stieg das Gewicht des Risikofaktors auf 23,4 Prozent.“

Großes Präventionspotenzial

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Übergewicht einen zirka doppelt so großen Anteil an der Darmkrebsentstehung hat als bislang angenommen“, so die Experten. „Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung des Übergewichts als Risikofaktor nicht nur mit Blick auf Darmkrebs bislang massiv unterschätzt wurde.“ Klar ist, dass Übergewicht auch als gesicherter Risikofaktor für andere Krebsarten wie zum Beispiel Brustkrebs gelte. Effektive Präventionsstrategien seien angesichts der steigenden Übergewichtszahlen notwendig: „Wir sprechen hier von hohen vermeidbaren Risiken und sollten die großen und bislang deutlich unterschätzten Potenziale der Krebsprävention in Zukunft viel mehr nutzen.“

Über die Studie

Die DACHS-Studie ist eine bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie. In der aktuellen Analyse wurden Daten von 7098 Männern und Frauen mit Darmkrebs sowie 5757 nicht erkrankten Kontrollpersonen vergleichbaren Alters und Geschlechts und ähnlichen Wohnorten ausgewertet. Von allen Proband:innen wurden umfangreiche Informationen zu potenziellen Darmkrebs-Risikofaktoren einschließlich des Körpergewichts in verschiedenen Lebensphasen erhoben.

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