Dapivirin: HIV-Prävention für Frauen Alexandra Negt, 29.07.2020 15:11 Uhr
Die EMA empfiehlt die Zulassung eines Dapivirin-haltigen Vaginalrings für Länder außerhalb der EU. Das Präparat soll Frauen vor einer HIV-Infektion schützen, insofern alternative PrEP-Therapien nicht verfügbar sind. Der Vaginalring setzt über 30 Tage den antiretroviralen Wirkstoff Dapivirin frei und bietet somit eine diskrete und langfristige HIV-Präventionsmethode. Mit ihrer Empfehlung will die EMA die Verfügbarkeit des Vaginalringes unterstützen.
Der Dapivirin-haltige Vaginalring erhält von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassungsempfehlung für Länder außerhalb der EU, insofern keine alternativ anzuwendende PrEP verfügbar ist. Der Ring des Unternehmens International Partnership for Microbicides kann für 28 Tage von Frauen, die sich vor einer HIV-Infektion schützen möchten, getragen werden. Indiziert ist der Ring innerhalb der EMA-Empfehlung für HIV-negative Frauen ab 18 Jahre, die vaginalen Geschlechtsverkehr mit Safer-Sex-Praktiken kombinieren. Die Anwendung darf nicht parallel zu einer PrEP erfolgen. Durch die Zulassungsempfehlung will die EMA die Verfügbarkeit des Produktes in den Ländern stärken.
Insbesondere Frauen in Afrika seien gefährdet
Südlich der Sahara könnten Frauen selten von einer PrEP profitieren, da diese nicht vorhanden ist. Die Frauen hätten keinen Zugang zu dieser Präventionsmethode, so der Humanarzneimittelausschuss. Gleiches gelte für die Anwendung von physikalischen und auch chemischen Schutzmaßnahmen beim Geschlechtsverkehr (Kondom, Diaphragma, spermizide Gele). Die EMA begrüßt somit vor allem die Darreichungsform. Die Anwendung sei diskret und einfach – nur einmal monatlich müsste der Wirkstoff-beladende Ring ausgetauscht werden.
Empfehlung außerhalb der EU – kein Einzelfall
Um einzelne gesundheitliche Probleme in anderen Teilen der Welt effektiver bekämpfen oder behandeln zu können, empfiehlt die EMA von Zeit zu Zeit die Anwendung von bestimmten Arzneimitteln auch außerhalb der EU. Mit dem Dapivirin-haltigen Vaginalring folgt die elfte Zulassungsempfehlung für Nicht-EU-Länder. Gemäß Artikel 58 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 ist die EMA bemächtigt, Arzneimittel für die Verwendung in Nicht-EU-Ländern zu bewerten und ihre Stellungnahme dazu abzugeben. Im Rahmen des Projektes „Medicine for use outside the EU – EU-M4all“ werden die wissenschaftlichen Überprüfungsmöglichkeiten der EMA mit der Epidemiologie-Kompetenz der WHO, den Gutachten der nationalen Regulierungsbehörden in den Zielländern und Meinungen von Experten vor Ort kombiniert. Ziel ist es, die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels auf nationaler oder regionaler Ebene zu erleichtern.
Compliance notwendig
2016 schnitt die Prophylaxe-Variante in Studien weniger gut ab. Der Vaginalring wurde damals in zwei größeren randomisierten Studien in mehreren afrikanischen Ländern untersucht. Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Das Problem lag wahrscheinlich bei den Anwenderinnen. Zwar muss der Vaginalring nur alle vier Wochen ausgetauscht werden, doch die Adhärenz der Frauen schien in den damaligen Studien unzureichend gewesen zu sein. Somit sei ein Grund für das häufige Versagen der Präexpositionsprophylaxe die fehlende Compliance gewesen – zahlreiche Frauen trugen den Ring nur zeitweise.
Die Frauen, die an den Studien teilnahmen, wurden aufgefordert, den Ring selbst einzuführen und über einen Zeitraum von 28 Tagen zu tragen. Jeweils einmal im Monat wurde bei den Frauen ein HIV-Test durchgeführt. Bei jedem dieser Vorstellungen wurde das Prinzip des Rings erneut erläutert. Im Ergebnis kam es bei 71 von 1313 Frauen trotz Dapivirin zu einer HIV-Neuinfektion – im Placebo-Arm waren es 168. Dapivirin-haltige Vaginalringe gelten aktuell als eine gute Möglichkeit für Frauen in Afrika, sich vor HIV zu schützen, sofern kein Kondom benutzt wird.
Dapivirin in der Muttermilch
Als Anschluss-Studie folgte 2017 eine Untersuchung dazu, in welchem Rahmen der antiretrovirale Wirkstoff in die Muttermilch übergeht. Denn zu Beginn wurde den Frauen empfohlen, dass sie den Ring bei bestehender Schwangerschaft und während der Stillzeit entfernen sollen. Innerhalb der Studie der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health konnte gezeigt werden, dass Dapivirin in geringen Mengen in die Muttermilch übergeht, für das Neugeborene aber kein Risiko besteht. An der damaligen Phase-I-Studie nahmen zunächst 16 Frauen teil, die noch Muttermilch produzierten, ihr Kind aber nicht mehr damit versorgten. Ungefähr drei Stunden, nachdem der Ring eingesetzt wurde, konnte der Wirkstoff bei allen Frauen in der Milch und im Blut nachgewiesen werden. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Mengen, die vom Baby durch die Muttermilch aufgenommen werden würden, extrem gering seien. Sie schätzen die Menge auf 600 Nanogramm für ein sechs Monate altes Baby mit einem Gewicht von acht Kilogramm.