OTC-Produkte

Warten auf die Dachmarke

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Berlin -

Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung. Mit dem Thema OTC-Dachmarken will sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) partout nicht auseinander setzen – weil die Vorinstanzen aus Sicht der Leipziger Richter alles richtig gemacht haben. Die zweite Nichtentscheidung klärt die Grundsatzfrage, wann Präparate trotz unterschiedlicher Wirkstoffe unter demselben Namen auf den Markt gebracht werden dürfen und wann nicht.

Dachmarken waren in den vergangenen Jahren ein „heißes“ Thema bei den OTC-Herstellern. Novartis hatte seit 2005 dafür gestritten, seine Herpescreme unter dem Namen Fenistil auf den Markt zu bringen. Bayer wollte Aleve in Aktren umbenennen, Stada seine Grippostad-Familie erweitern.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stemmte sich aus Gründen der Arzneimittelsicherheit gegen die Dachmarken. Derselbe Name für Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen sei irreführend; ältere Zugeständnisse etwa bei Dolormin oder Aspirin nicht mehr bindend. Gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gab die Behörde 2013 eine Leitlinie heraus, anhand derer alle Neueinführungen streng geprüft werden sollen.

Zunächst standen die Zeichen für die Hersteller schlecht: Novartis klagte gegen den BfArM-Bescheid und kassierte 2011 vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG) eine Niederlage. Zwei Jahre später scheiterte der Hersteller auch in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen (OVG). Im März 2014 war endgültig Schluss: Das BVerwG wies die Beschwerde des Herstellers gegen das Urteil der Vorinstanz ab.

Zur selben Zeit gab es aber in einem anderen Verfahren eine Überraschung: Im Rechtsstreit um Aleve/Aktren kam das OVG plötzlich zu dem Schluss, dass es nicht auf den Wirkstoff, sondern auf die Indikation, die Risiken und die Bekanntheit beim Verbraucher ankomme. Bayer hatte im Juni 2010 die Umbenennung beantragt und war erst beim BfArM und dann beim VG auf Widerstand gestoßen.

Im dritten Verfahren griff auch das VG schließlich im vergangenen Herbst die Argumentation des OVG auf und fügte hinzu, dass bei Kombinationsarzneimitteln wie Grippostad C eine Irreführung besonders unwahrscheinlich sei: Weil hier ohnehin nicht davon ausgegangen werden könne, dass der durchschnittliche Verbraucher alle Inhaltsstoffe kenne, sei die Verwechslungsgefahr besonders gering – die Dachmarke bei ähnlicher Indikation daher zulässig. Stada hatte im Juli 2011 beantragt, Ibudolor künftig unter der Dachmarke Grippostad vertreiben zu können.

Diesmal wollte es das BfArM genau wissen und legte beim BVerwG Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Dieser Antrag wurde jetzt abgewiesen. Im Zusammenhang mit dem Beschluss zum – genau gegensätzlich gelagerten – Verfahren zu Fenistil, lässt sich das Fazit ziehen: Bei jeder Dachmarke müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Beim BfArM fühlt man sich daher bestätigt: Bei allen Bezeichnungsänderungen sei weiterhin der konkrete Einzelfall sorgfältig zu prüfen. „Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen unter einer Dachmarke dürfen insbesondere bei Verbrauchern nicht Verwechslungen und Fehlanwendungen begünstigen“, so ein Sprecher der Behörde. „Der Patientenschutz muss auch hier Vorrang vor Marketinginteressen der pharmazeutischen Industrie haben.“

Auch in der Industrie ist man froh, endlich eine Entscheidungsgrundlage zu haben. Selbst den Ausgang des Streits um Fenistil können Vertreter der Hersteller nachvollziehen – allzu verschieden seien die Produkte schließlich gewesen. Novartis hat mittlerweile sein Portfolio umfassend überarbeitet – und nutzt seine bekannten Marken einfach als Abkürzung weiter: Otri bei Otriven, Feni bei Fensitil. Die Herpescreme wurde dagegen in Pencivir umbenannt – und muss im Zusammenhang mit dem Joint Venure mit GlaxoSmithKline (GSK) ohnehin verkauft werden.

Und Aleve/Aktren? Bayer hatte im Prozess Zugeständnisse gemacht und versprochen, auch die bestehenden vier Aktren-Präparate mit einem Zusatz zum Wirkstoff zu versehen. Das ist bislang nicht passiert, selbst Änderungsanzeigen liegen dem BfArM bislang nicht vor. Der Konzern wollte sich auf Nachfrage nicht zu seinen Plänen äußern. Der Streit um Grippostad geht womöglich erst noch in die nächste Runde: Das BfArM hat beim OVG Zulassung zur Berufung beantragt. Ansonsten gibt es laut BfArM derzeit keine laufenden Verfahren, die mit dem Fall Aleve/Aktren vergleichbar wären.

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