Eine neue Studie des Instituts für Neuropathologie in Zürich weist erstmals die Wirkung der Prion-Proteine auf die Nerven nach. Die Forscher um Professor Dr. Adriano Aguzzi klären damit eine seit 30 Jahren intensiv untersuchte Frage. Das Eiweiß ist in Kombination mit einem Rezeptor für die Gesundheit der Nerven zuständig. Bislang war nichts über den genauen Entstehungsmechanismus der Prionen bekannt. Aus der Entschlüsselung des Wirkmechanismus könnten sich laut Studie neue Therapien für chronische Nervenkrankheiten wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) ergeben.
Zu den seltener verwandten Erb- und Infektionskrankheiten, den Prionkrankheiten, gehört auch die BSE-Tierseuche, die auch als Rinderwahnsinn bekannt ist. Schuld an der Entstehung dieser Krankheiten sind mutierte Prionen. Das sind gefährliche Krankheitserreger, die bei Mensch und Tier fatale Degenerationen des Gehirns auslösen. Das Prion-Gen wurde im Jahr 1985 vom US-amerikanischen Biochemiker Stanley Prusiner entdeckt, der 1997 dafür den Nobelpreis erhielt. Prionen kommen auch im Gehirn gesunder Menschen vor.
„Wir können dem Prion-Protein nun endlich eine klar umrissene Funktion zuweisen und aufzeigen, dass es im Verbund mit einem bestimmten Rezeptor für die langfristige Intaktheit der Nerven zuständig ist“, sagt Aguzzi. Er arbeitet am Neuropathologischen Institut der Universität und am Universitätsspital Zürich.
Warum haben Menschen in ihren Nervenzellen ein Protein, dass zwar ohne Funktion, aber höchst gefährlich ist? Für die Beantwortung dieser Frage forscht Aguzzi seit mehreren Jahren an der Theorie, dass Tiere ohne das sogenannte PrPC-Gen resistent gegen Prionen-Erkrankungen sind. Es steht für „Prion Protein cellular“ und kommt in der Membran der Nervenzellen vor.
Mutierte, infektiöse Prionen bestehen aus einer „falsch gefalteten Form eines normalen Prion-Proteins“, heißt es. Diese Fehlfaltung kann dann wie in einer Kettenreaktion auf die gesunden Eiweiße übertragen werden. Sie verklumpen, lagern sich im Gehirn ab und rufen die vCJK-typischen Symptome hervor. Grund für den fehlerhaften Zusammenbau der Eiweiße ist eine Mutation im Erbgut.
Die Wissenschaftler forschen an transgenen Mäusen ohne PrPC-Gen, die an einer chronischen Erkrankung des peripheren Nervensystems leiden. Dort befinden sich sogenannte Schwann-Zellen. Sie produzieren dort die Myelinscheiden der markhaltigen Nervenfasern und hüllen wiederum marklose Nervenfasern mit ihrem Zytoplasma ein. Bei erkrankten Mäusen bilden diese Zellen keine elektrische Isolationsschicht mehr, um die Nervenfasern zu schützen.
Die Folge: Die Nerven erkranken und es kommt zu motorischen Störungen und Lähmungen. Aguzzis Kollegen Dr. Alexander Küffer und Dr. Asvin Lakkaraju klärten in einer weiteren Studie, was genau bei krankhaft veränderten Proteinen passiert. Sie entdeckten, wie das von Neuronen hergestellte PrPC an den Schwann-Zellen andockt: nämlich über einen Rezeptor namens 'Gpr126'. Agierten das Prion-Protein und der Rezeptor gemeinsam, erhöhe sich ein bestimmter Botenstoff (cAMP), der das chemische Zusammenspiel in den Zellen reguliert und für das Wohlergehen der Nervenschutzhülle essentiell ist, heißt es in der Mitteilung der Uni Zürich.
„Will man bei möglichen Therapien gegen die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit das Prion-Protein PrPC ganz ausschalten, muss man sich künftig der potentiellen Nebenwirkung auf die Nerven bewusst sein“, sagt Aguzzi. Zudem könnte sich aus den gewonnenen Erkenntnissen über die Wirkungsweise des PrPC auf molekularer Ebene ein neuer Ansatz für periphere Neuropathien ergeben, für die es bislang nur eingeschränkte – hauptsächlich symptomatische – Therapiemöglichkeiten gab.
APOTHEKE ADHOC Debatte