Krebspatienten stellen eine besondere Risikogruppe bei Covid-19 dar. Wie sich eine Krebserkrankung auf den Krankheitsverlauf auswirken kann und inwiefern das Infektionsrisiko bei Patienten mit Krebs oder einer zytotoxischen Therapie erhöht ist, wurde in kleinen Fallserien analysiert. In einer chinesischen retrospektiven Kohortenstudiekonnte konnte gezeigt werden, dass das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf abhängig davon ist, wann die letzte Krebstherapie stattgefunden hat.
Neben kleinen Fallserien zum Thema Covid-19 und Krebs liegen erstmals auch systematisch aufgearbeitete Patientendaten aus drei großen chinesischen Kliniken vor. Das Ergebnis einer retrospektiven Kohortenstudie der onkologischen Abteilung des Tongji-Hospitals der Huazhong Universität in Wuhan zeigt, dass das Risiko eines schweren Verlaufs vom Zeitpunkt der letzten Krebstherapie abhängt. Lag die letzte Gabe von zytotoxischen Medikamenten weniger als 14 Tage zurück, so kam es viermal häufiger zu schweren Covid-19 Verläufen als bei Patienten, bei denen die letzte Therapie länger zurück lag.
Da ein schwerer Verlauf von Covid-19 bei Krebspatienten als sehr wahrscheinlich gilt, empfehlen die chinesischen Wissenschaftler, dass alle diejenigen Patienten, die eine Krebstherapie erhalten, auf Sars-CoV-2 getestet werden sollten. So könne eine mögliche Infektion frühzeitig in das Therapie-Regime mit aufgenommen werden. Es könnten Anpassungen in der Medikation vorgenommen werden – immunsuppressive Therapien sollten vermieden oder die Dosis sollte zumindest niedrig dosiert werden, so die Wissenschaftler.
In der Kohortenstudie wurden Daten von 1276 Patienten berücksichtigt. Alle Patienten waren wegen eines Verdachts auf Covid-19 im Krankenhaus in Quarantäne oder in Behandlung. 28 Personen waren krebskrank, das entspricht 2,2 Prozent. 17 dieser Patienten waren männlich und der Altersdurchschnitt lag bei 65 Jahren. 11 Patienten wiesen mindestens eine chronische Komorbidität auf. Am häufigsten traten Diabetes und chronische kardiovaskuläre Erkrankungen als Begleiterkrankungen auf. Es wurde auch unterschieden, wo die Patienten sich infiziert hatten: 20 Personen hatten sich ambulant, acht im Krankenhaus infiziert. Alle Patienten waren wegen ihres Karzinoms bereits behandelt worden, sieben von ihnen in den letzten 14 Tagen.
Die Symptome ähnelten denen von nicht an Krebs erkrankten Covid-19-Patienten. Zu den häufigsten Anzeichen gehörten Fieber (82,1 Prozent), trockener Husten (81 Prozent) und Müdigkeit (64,3 Prozent). Die Hälfte aller Patienten litt unter einer Dyspnoe. Nach einer labordiagnostischen Blutauswertung zeigten 82,1 Prozent der Patienten eine Lymphopenie und hohe Spiegel des hochsensitiv gemessenen C-reaktiven Proteins. 75 Prozent litten unter einer Anämie. Bei allen Patienten wurde ein CT durchgeführt. Das Ergebnis: Bei drei Viertel der Patienten lag ein Milchglasbefund vor, bei knapp der Hälfte der Patienten wurden fleckenhafte Verdichtungen gefunden. Unter einem Milchglasbefund – auch Milchglasinfiltrat genannt – versteht man Areale mit gering angehobener Lungendichte.
Welche Krebsart oder welche Krebstherapie das Infektionsrisiko oder das Risiko für einen schweren Verlauf besonders beeinflusst, ist noch nicht abschließend geklärt. Das Robert Koch-Institut (RKI) nennt Krebspatienten ganz allgemein als eine von mehreren Risikogruppen für schwere Verläufe. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) greift bei der Risikobewertung auf Erfahrungswerte bei anderen Virusinfektionen zurück, die die oberen Luftwege betreffen. Vor allem Krebspatienten mit einem geschwächten Immunsystem und Personen, bei denen zeitgleich weitere Infektionen der oberen Luftwege auftreten, werden der Risikogruppe zugeordnet.
Kein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hätten Krebspatienten mit einer gut beherrschten Erkrankung. Auch würden Patienten mit einer erfolgreich abgeschlossenen Erstbehandlung nicht zur Risikogruppe gehören. Die DGHO geht detaillierter auf einzelne Erkrankungsarten und andere Faktoren ein als das RKI.
Manche Zytostatika gelten als stark immunsuppressiv. Hierzu zählen beispielsweise Cyclophosphamid oder Vinblastin. Andere Wirkstoffe wie etwa Paclitaxel und Docetaxel haben schwächere Auswirkungen auf das Immunsystem. Neben dem Wirkstoff selbst hat auch die verabreichte Dosis Einfluss darauf, wie sehr das Immunsystem supprimiert wird. Insbesondere intensive Chemotherapien, die im Rahmen einer Blutstammzelltransplantation oder bei akuten Leukämien eingesetzt werden, senken die Infektabwehr stark herab. Auch monoklonale Antikörper können das Immunsystem schwächen. Wirkstoffe wie Obinutuzumab senken die Anzahl an Abwehrzellen im Körper.
Tyrokinasehemmer, wie beispielsweise Afatinib, gelten als kaum immunsuppressiv. Diese Medikamente werden beispielsweise bei soliden Tumoren der Lunge eingesetzt. Sie hemmen das Weiterleiten von Wachstumssignalen in den Zellen. Andere Wirkstoffe zur Behandlung von soliden Tumoren senken die Immunabwehr. Sogenannte CDK4/6-Hemmer wie Palbociclib und Ribociclib können das Infektionsrisiko somit steigern. Diese Wirkstoffe werden beispielsweise zur Behandlung von Mammakarzinomen eingesetzt. Onkologische Patienten sollten das individuelle Risiko mit ihrem behandelnden Arzt besprechen.
Eine Strahlentherapie sollte während der Pandemie nicht unterbrochen werden. Auch bevorstehende Bestrahlungen sollten durchgeführt werden, sofern der Allgemeinzustand des Patienten dies zulässt. Die Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie (ARO) und die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) sprechen sich für ein Fortführen von Bestrahlungen während der Corona-Pandemie aus. Die Strahlentherapie hat ähnliche Nebenwirkungen wie eine Chemotherapie. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Abgeschlagenheit und bei Bestrahlung des Magen-Darm-Traktes gastrointestinale Beschwerden.
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