Coronavirus: Durch die Nase in den Körper Alexandra Negt, 24.04.2020 07:56 Uhr
Sars-CoV-2 kann über die Mund- und Nasenschleimhaut in den Körper gelangen. Erste Untersuchungen bestätigen, dass das Virus auch über die Augen beziehungsweise über die Tränendrüsen am Auge in den Körper gelangen kann. Doch die wahrscheinlichste Eintrittspforte für Sars-CoV-2 sei, laut Forschern des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin, die Nasenschleimhaut.
Zahlreiche Forscherteams des Wellcome Sanger Institutes, des Universitätsklinikums Groningen, der Universität Cote d'Azur und anderen Forschungseinrichtungen haben die Zellen identifiziert, die als Haupteintrittspforte für Sars-CoV-2 gelten könnten. Die Proteine, die das Virus zum Eintritt in die Wirtszelle nutzt sind nun bekannt. Zu den zwei wichtigsten Proteinen gehören ACE2 und TMPRSS2. Forscher des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin wollten herausfinden, in welchen Zellen diese beiden Eintrittsproteine vermehrt enthalten sind. Folglich könnten Aussagen über die häufigsten Übertragungswege gemacht werden. Durch die Erkenntnisse könnten auch Maßnahmen, wie das Tragen eines Mundschutzes, mitunter neu bewertet werden.
Hierfür untersuchten die unterschieldichen Forscherteams Zellen aus verschiedenen Organen, darunter Lunge, Nase, Auge, Darm, Herz, Niere und Leber. Die Forscher konnten zeigen, dass spezielle Zellen in der Nase die höchste Konzentration an ACE2 und TMPRSS2 enthielten: „Das Rezeptorprotein – ACE2 – und die TMPRSS2-Protease, die beim Eintritt von SARS-CoV-2 helfen kann, wird in den Zellen verschiedener Organe exprimiert. Darunter sind die Zellen an der Innenseite der Nase. Wir haben gezeigt, dass von allen Zellen die schleimproduzierenden Becherzellen und Flimmerzellen in der Nase die höchsten Konzentrationen dieser beiden Proteine aufweisen“, erklärte Hauptautor Waradon Sungnak. „Das macht diese Zellen zum wahrscheinlichsten Erstinfektionsweg für das Virus,“ schlussfolgert er weiter.
Augen als Eintrittspforte
Da auch Bindehautentzündungen ein mögliches Symptom von Covid-19 sein können, hatten Forscher aus Singapur sich bereits Ende März näher mit der Frage beschäftigt, ob eine Ansteckung auch über die Tränenflüssigkeit möglich sein könnte. Über den sogenannten „Tränennasengang“ besteht eine direkte Verbindung zwischen Nase und Bindehaut. Ob nun neben Speichel und Nasensekret auch die Tränenflüssigkeit grundsätzlich als Infektionsquelle in Frage kommt, haben Forscher der Nationalen Universität Singapur untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachjournal „Ophtalmology“ veröffentlicht.
Um zu ermitteln, welches Risiko von Tränenflüssigkeit als Ansteckungsquelle ausgeht, untersuchten die Wissenschaftler 64 Tränenproben von 17 Patienten mit Covid-19. Die Teilnehmer zeigten – mit Ausnahme eines Patienten – jedoch keine Beschwerden einer Augensymptomatik durch Covid-19. Die Wissenschaftler konnten kein Ansteckungsrisiko nachweisen: Alle PCR-Tests fielen negativ. Die Abstriche aus dem Nasen-und Rachenraum waren jedoch während der Erkrankung alle positiv. Aufgrund der Ergebnisse gehen die Forscher davon aus, dass die Bindehaut nicht zu den wichtigsten Eintrittspforten für eine Sars-CoV-2-Infektion gehört und das Ansteckungsrisiko über die Tränenflüssigkeit gering ist.
Anders denken die Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin. Sie fanden heraus, dass die beiden wichtigsten Eintrittsproteine – ACE2 und TMPRSS2 – auch in hoher Konzentration in den Hornhaut-Zellen des Auges enthalten sind. Das deute auf einen weiteren möglichen Infektionsweg über das Auge, beziehungsweise die Tränendrüsen hin. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Herz besitzt ebenfalls Andockstellen
Auch am Herzen wurden Andockstellen für Sars-CoV-2 gefunden. Bis zu 20 Prozent der Corona-Patienten erleiden Herzmuskel-Schäden. Unklar sei laut den Wissenschaftlern aktuell jedoch noch, ob das Virus selbst für die Schäden am Herzen verantwortlich ist, oder ob es sich um sekundäre Effekte handle.
„Wir haben mehr als 500.000 Einzelzellen aus 14 menschlichen Herzen analysiert. Dabei haben wir die zellulären Bereiche identifiziert, die diese Eintrittspforte expremieren: Das sind Perizyten – also Zellen, die zum feinen Kapillarsystem des Herzens gehören –, Herzmuskelzellen und Fibroblasten, die dazu beitragen, dem Herzen seine Struktur zu geben“, sagt Dr. Michela Noseda vom National Heart & Lung Institute des Imperial College in London. „Das Wissen, auf welche Zellen im Herzen das Virus genau abzielt, ist die Grundlage, um die Mechanismen der Schädigung zu verstehen und über eine Behandlung zu entscheiden.“
Auch in China konnten beispielsweise bei der Aufnahme von Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen zum Teil massive kardiale Schädigungen beobachtet werden. Gemessen wurde dies anhand eines wichtigen Markers: Werden Herzmuskelzellen zerstört, gelangt das sogenannte „Troponin I“ als Hauptbestandteil der Zellen ins Blut – ist dies der Fall, erhöht sich das „hochempfindliche Troponin I“ (hs-TnI). Für die Untersuchung wurden die Daten von 416 Patienten verwendet: Bei 82 war hs-TnI deutlich erhöht. Die Konzentration lag im Durchschnitt bei 0,19 µg/l gegenüber 0,006 µg/l bei den übrigen 334 Patienten. Deshalb gehen die Forscher davon aus, dass es bei den Betroffenen zu einer Schädigung des Herzmuskels gekommen ist. Auch hier konnten die Wissenschaftler keine abschließenden Aussagen darüber tätigen, ob die Schädigungen am Herzen durch das Virus verursacht wurden oder als Folge der Viruserkrankung zu betrachten sind.