Spätfolgen auch ohne Infektion

Corona: Lockdown erhöht Demenzrisiko

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Berlin -

Wie genau sich eine Corona-Infektion auf den gesamten Körper auswirken kann, ist noch immer nicht vollends geklärt. Studien legen zum Beispiel nahe, dass unter anderem durch schwere Pneumonien das Demenzrisiko bei älteren Patient:innen steigt. Doch auch insgesamt griff die Pandemie die kognitive Gesundheit an. So vermeldet eine Studie der University of Exeter, bei über 50-Jährigen sei während der Pandemie eine deutliche Verschlechterung zu verzeichnen – unabhängig von einer Infektion.

Das geht aus Forschungsergebnissen hervor, die einen Zusammenhang zwischen der Pandemie und anhaltendem kognitiven Abbau herstellen. Für die Online-Studie PROTECT wurden mit mehr als 3.000 britischen Teilnehmern im Alter zwischen 50 und 90 Jahren Gehirnfunktionstests durchgeführt. Es wurde das Kurzzeitgedächtnis und die Fähigkeit der Teilnehmer:innen getestet, komplexe Aufgaben zu lösen.

Einsamkeit, Depressionen, Alkohol & zu wenig Sport

Bei der Analyse kam heraus: Der kognitive Abbau im ersten Pandemie-Jahr beschleunigte sich deutlich, die Forscher:innen ermittelten eine 50-prozentige Veränderung der Abbaurate in der gesamten Studiengruppe. Bei den Getesteten, die bereits vorher kognitiv abbauten, war die Verschlechterung sogar noch höher.

Dies lässt sich nicht allein mit den direkten Folgen des zwölfmonatigen Lockdowns in Großbrittanien erklären, da sich der Abbau im zweiten Pandemie-Jahr fortsetzte. Laut den Forschenden sind diese anhaltenden Auswirkungen für die öffentliche Gesundheit für die Gesundheitspolitik von besonderer Bedeutung. Als mögliche Faktoren sehen sie eine Zunahme von Einsamkeit und Depressionen, einen Rückgang der körperlichen Aktivität und einen höheren Alkoholkonsum.

Pandemiemaßnahmen überdenken

Die Leiterin der Studie, Anne Corbett, resümiert: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Lockdowns und andere Einschränkungen, die wir während der Pandemie erlebt haben, einen echten nachhaltigen Einfluss auf die Gesundheit des Gehirns von Menschen über 50 Jahren hatten, selbst nachdem die Abriegelungen beendet waren.“ Menschen mit frühzeitigem kognitiven Abbau müssten nun besonders unterstützt werden, vor allem, da es Maßnahmen gibt, um ihr späteres Demenzrisiko zu verringern.

„Unsere Ergebnisse machen auch deutlich, dass die politischen Entscheidungsträger bei der Planung künftiger Pandemiemaßnahmen die weiterreichenden gesundheitlichen Auswirkungen von Einschränkungen wie Lockdowns berücksichtigen müssen“, so die Professorin für Demenzforschung und Leiterin der PROTECT-Studie an der Exeter.

Frühere Studien legten bereits nahe, dass Sport, die Behandlung von Depressionen und die Wiederaufnahme von Kontakten mit anderen Menschen wichtig sind, um das Demenzrisiko nach der Pandemie zu verringern und die kognitive Gesundheit zu erhalten. Die aktuelle Studie unterstreiche, wie wichtig eine sorgfältige Überwachung von Risikopersonen während einer Pandemie ist. Die leitenden Teams von der University of Exeter und vom Londoner King's College veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Zeitschrift „The Lancet Healthy Longevity“.

Unregelmäßigkeiten nach Infektion

Eine frühere Studie von der Oxford University gibt sogar Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Gehirn nach einer Covid-19-Infektion. Die Forscher:innen entdeckten bei Betroffenen, die sich während der Studie infizierten, eine geringere Dicke der sogenannten grauen Substanz („graue Zellen“) und einen geringeren Gewebe­kontrast in Hirnarealen, die für das Erkennen und Erinnern zuständig sind. Selbst in leichten Fällen hätten die Patient:innen eine kognitive Verschlechterung bezüglich Konzentration und Orga­nisation gezeigt.

Als Grundlage dienten hierbei Gehirnscans und kognitive Tests von insgesamt 785 Studienteilnehmer:innen im Alter zwischen 51 und 81 Jahren. Nach Beginn der Studie hatten sich 401 Teilnehmende mit Corona infiziert. Die nicht Infizierten bildeten die Kontrollgruppe.

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