Inhalative Glucocorticoide vermindern bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) die Rate von Exazerbationen, aber bergen ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen. Zu diesem Ergebnis kommt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nach einer Risikobewertung. Da der Nutzen laut EMA überwiegt, hat das Ergebnis keine Folgen für die Behandlung der COPD.
Bereits 2007 war in einer großen klinischen Studie entdeckt worden, dass die Anwendung von Glucocorticoiden bei COPD-Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Lungenentzündung einhergeht. In der Studie hatte sich gezeigt, dass Patienten, die mit Fluticason behandelt wurden, im Vergleich zu Patienten unter Placebo häufiger eine Pneumonie entwickelten.
Dieses Risiko besteht nach Ansicht der EMA auch für die inhalativen Glucocorticoide Fluticasonpropionat und -furoat, Budesonid, Beclometason und Flunisolid. Der Pharmakovigilanzausschuss für Risikobewertung (PRAC) der EMA hatte neuere klinische Studien und Meta-Analysen geprüft und erörtert, ob die derzeitigen Verschreibungsvorgaben überarbeitet werden müssen.
Das sei nicht der Fall, stellte das Gremium jetzt fest. Der Nutzen der Arzneimittel bleibe größer als das Risiko. Eine Pneumonie könne bei allen Glucocorticoid-haltigen Präparaten gleichermaßen auftreten. Es seien keine Unterschiede der einzelnen Substanzen festzustellen.
Eine Anpassung der Produktinformationen hält die EMA daher nicht für erforderlich. Die Hersteller werden allerdings aufgefordert, Fach- und Gebrauchsinformationen an den aktuellen Wissensstand anzupassen. Patienten sollen ebenso wie Ärzte und Apotheker vermehrt auf Symptome einer Lungenentzündung achten. Dies sei vor allem deshalb wichtig, weil diese durch Exazerbationen überlagert werden und nicht sofort erkannt werden könnten, so die EMA. Die Empfehlung des PRAC wird nun an den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) weitergeleitet. Die abschließende Entscheidung über die Umsetzung der Empfehlungen trifft die EU-Kommission.
Beclometason gibt es bereits seit Jahren als Nasenspray in der Sichtwahl. Der Wirkstoff war 1997 aus der Verschreibungspflicht entlassen worden. Allerdings dürfen nur Produkte in die Sichtwahl gestellt werden, die zur „Kurzzeitbehandlung von Heuschnupfen (saisonale allergische Rhinitis)“ zugelassen sind. Heißt die Indikation „Vorbeugung und Behandlung der saisonalen und perennialen allergischen Rhinitis“, ist das Rhinologikum selbst bei gleicher Wirkstärke verschreibungspflichtig.
Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hatte im Januar empfohlen, neben Beclomethason auch die Wirkstoffe Mometason und Fluticason zur Heuschnupfen-Behandlung als Nasenspray für die Selbstmedikation freizugeben. Mometason war bislang allgemein für die „symptomatische Behandlung der saisonalen allergischen Rhinitis“, Fluticason sogar für die „Prophylaxe und Behandlung der allergischen Rhinitis“ angezeigt.
Mit dem OTC-Switch sollen auch die Indikationen vereinheitlicht werden: Die Corticoide sollen nach dem Willen der Experten zukünftig „zur intranasalen Anwendung zur symptomatischen Behandlung der saisonalen allergischen Rhinitis, nach der Erstdiagnose einer saisonalen allergischen Rhinitis durch einen Arzt“ rezeptfrei einsetzbar sein. Ein prophylaktischer Gebrauch ist allerdings nicht vorgesehen.
Pharmazeutisch gesehen ist die Angleichung nachvollziehbar: Alle drei Corticoide sind in ihrer Wirkung vergleichbar und werden bei ähnlichen Beschwerden eingesetzt. In der Sichtwahl gibt es Otriven Allergie Aktiv (Novartis), Ratioallerg (Ratiopharm) und Rhinivict nasal (Dermapharm).
Mometason ist laut Arzneiverordnungsreport im Rx-Bereich das mit weitem Abstand führende Glucocorticoid zur nasalen Anwendung. Von den insgesamt 126 Millionen im vergangenen Jahr auf Kassenrezept verordneten Tagestherapiedosen (DDD) entfielen 59 auf den Wirkstoff. Neben dem Original Nasonex von MSD Sharp & Dohme gibt es verschiedene Generika. Fluticason spielt mit 12 Millionen DDD eine untergeordnete Rolle; neben Avamys und Flutide nasal von GlaxoSmithKline (GSK) gibt es Generika von Teva und Cipla. Dazu kommt Dymista (Fluticason/Azelastin) mit 3 Millionen DDD. Auf Beclometason entfallen im Rx-Bereich 10 Millionen DDD, weitere nasal angewendete Corticoide sind Budesonid (31 Millionen DDD) sowie Flunisolid (7 Millionen DDD), Triamcinolon (3 Millionen DDD) und Dexamethason (0,6 Millionen DDD).
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