Arzneimittelmissbrauch

Codein: Hip Hop und Hustensaft

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Berlin -

Das Magazin Stern hat sich in seiner aktuellen Ausgabe einem Subkulturtrend gewidmet, der aus den USA nach Deutschland übergeschwappt ist: dem Missbrauch von verschreibungspflichtigem Hustensaft als Rauschmittel. In der deutschen Hip-Hop-Szene werde es immer gängiger, sich mit „Purple Drank“ zu berauschen, einer Mischung aus Codein-haltigem Hustensaft, Sprite und zerkrümelten Bonbons. Daran sei auch der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schuld, kritisiert die Bundesapothekerkammer (BAK).

„Ich trinke das, weil das so die nice amerikanische Droge ist“, zitiert der Stern einen Rapper mit dem vielsagenden Namen Hustensaft Jüngling. In seinen Texten widmet er sich offen dem Konsum, ist sich nach eigenen Angaben aber auch der Gefahren bewusst. „Man soll das Zeug nicht zu oft nehmen. Es ist schließlich ein Opiat. Das ist gefährlich.“ Trotzdem oder gerade deshalb habe es sich in den vergangenen Jahren mit Künstlern wie Moneyboy, Ufo361 oder Bonez MC auch in Deutschland immer mehr etabliert. Das Opiat sei eine wichtige Inspirationsquelle, erklärt Hustensaft Jüngling die Gründe für den Konsum: „Die Eindrücke sind viel stärker. Das heißt, man fühlt alles viel intensiver. Ich kann dadurch viel melodischere und harmonischere Songs machen.“

Ursprünglich stammt der Trend aus den USA, wo das Getränk in den 1960er-Jahren von Soul- und Blues-Musikern als preisgünstige Partydroge erfunden wurde. Heute ist es unter Namen wie Purple Drank, Lean, Sizzurp, Syrup oder Texas Tea weit verbreitet. Einer Umfrage unter Teenagern in North Carolina zufolge haben dort ein Drittel der Befragten bereits Erfahrungen mit Codein. Nicht zuletzt haben mehrere Hip-Hop-Stars der Droge zu Popularität verholfen: Lil Wayne beispielsweise geht offen damit um, dass er davon abhängig ist. A$AP Yams, Gründer des Hip-Hop-Kollektivs A$AP Mob, kostete es gar das Leben.

Normalerweise wird Codein als Mittel gegen Reizhusten oder mittelstarke Schmerzen verschrieben. Wie beim Opioid-Missbrauch sind jedoch die eigentlichen Nebenwirkungen Grund für den Konsum: „Durch das Opiat wird ganz viel Dopamin im sogenannten Suchtgedächtnis ausgeschüttet. Das sorgt für starke Euphorie“, zitiert das Magazin Rainer Thomasius, den ärztlichen Leiter des Suchtbereichs Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Gleichzeitig findet aber auch eine Sedierung, also Beruhigung statt.“

Genau diese Sedierung birgt auch die größte Gefahr des Codein-Konsums. „Die größte Gefahr ist, dass es auf das zentrale Nervensystem einwirkt“, so Thomasius. Das könne zu einer zentralen Atemdepression führen. „Normalerweise würde in so einem Fall ein Schmerzreflex entstehen, der die Atmung wieder stimuliert. Weil die Schmerzrezeptoren durch das Opiat belegt sind und beeinflusst werden, kommt es aber nicht zu reflexartigen Stimulation.“ So könne es bei einer Überdosis zu einem Atemstillstand kommen, erklärt der Mediziner.

Aufgrund dieser Gefahren sind Codein-haltige Hustensäfte in Deutschland rezeptpflichtig. Doch wie besorgt man sich dann die nötigen Mengen? Man nutzt den Versand innerhalb Europas, erzählt der Rapper Hustensaft Jüngling gegenüber dem Stern freimütig. „In der Schweiz ist es beispielsweise rezeptfrei. Außerdem kann man das auch in Frankreich bestellen – in Online-Apotheken“, so der 20-Jährige. Ursula Seller, Sprecherin der Bundesapothekerkammer, warnt davor: „Wenn sie irgendwas im Internet bestellen, ist die Gefahr groß, dass es ein gefälschtes Arzneimittel ist.“ Bestelle man „irgendwo in Hong Kong, Dubai oder Frankreich“, ohne ein Rezept vorlegen zu müssen, sei nicht garantiert, was in dem Saft sei.

Über die Zahl der Konsumenten gibt es bisher keine zuverlässigen Daten. Die Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zeigte sich auf Stern-Anfrage ahnungslos. Von solchen Fällen wisse man nichts. Einzig die Zahlen aus dem Jahrbuch Sucht geben einen Anhaltspunkt. Demnach sind schätzungsweise 1,9 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig. Wie viele davon codeinsüchtig sind, weiß die Behörde jedoch nicht. Mediziner Thomasius schätzt die Zahl auf Grundlage seiner Arbeitserfahrung jedoch eher gering ein. Ein größeres Problem als Opiate seien Opioide: „Die haben eine höhere Potenz und können dadurch auch einen stärkeren Effekt setzen.“

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