Antidepressiva

Citalopram: Wehe, wenn du absetzen willst

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Berlin -

Rund eine Million Deutsche nehmen täglich Citalopram. Es ist das am häufigsten verordnete Psychopharmakon. In der „Zeit“ warnt jetzt ein Experte vor den unberechenbaren Folgen, die Kranke erleiden können, wenn sie Citalopram wieder absetzen wollen. Es drohen massive Entzugserscheinungen.

„Es ist davon auszugehen, dass Ärzte noch immer unterschätzen, wie oft Menschen nicht gut von ihren Antidepressiva loskommen“, sagt Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.

Für manche Patienten, so die „Zeit“, seien die Tabletten ein Wunder. Sie helfen, die düsteren Schatten auf der Seele zu vergessen, hellen die Stimmung auf, trübe Gedanken, die Sehnsucht nach dem Tod sind in vielen Fällen nach kurzer Zeit wie von Zauberhand verschwunden. Vielen Patienten geht es nach Einnahme der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sogar so gut, dass sie sich überhaupt nicht mehr krank fühlen, die psychische Verfassung normalisiert sich vollends.

„Antidepressiva gehören zu den erfolgreichsten und am umfassendsten eingesetzten Mitteln der Medizin“, schreibt die „Zeit“. Citalopram war im Jahr 2016 beispielsweise das mit 290 Millionen Tagestherapiedosen (DDD) das am häufigsten verordnete Psychopharmakon in Deutschland. Doch wehe, wenn die Patienten das Medikament absetzen wollen.

„Medikamente wie Citalopram greifen in den Hirnstoffwechsel ein und verändern das Erleben“, heißt es im Beitrag. „Dass sie neben ihren heilsamen Wirkungen auch Nebenwirkungen haben, überrascht deswegen nicht. Anfangs kann es unter anderem zu Schlaflosigkeit, Zittern und vermehrtem Schwitzen kommen. Das legt sich aber in der Regel nach ein paar Tagen Einnahme wieder. Wer ein SSRI gut verträgt, kann es problemlos auch länger nehmen.“

Bis zu drei Viertel aller Patienten könnten Entzugssyndrome erleiden. Erzählt wird der Fall einer jungen Frau, die wegen einer Essstörung und depressiven Episoden mit SSRIs behandelt wurde. Nach einigen Monaten wollte sie in Absprache mit den behandelnden Ärzten das Medikament absetzen. Ausschleichend, wie von Experten empfohlen. Als sie die Dosis reduzierte, musste sie sich mehrmals am Tag übergeben und litt an Durchfall, Schlaflosigkeit, Unruhe und Schwindelt. Sechs Mal versuchte sie, die Dosis zu reduzieren, jedes Mal setzten massive Entzugserscheinungen ein und veranlassten sie, die SSRIs wieder einzunehmen.

Schon nach wenigen Stunden zeigte sich ein Erfolg, die Symptome gingen zurück, nach zwei Tagen waren sie völlig verschwunden. Lange Zeit gingen Experten von Einzelfällen aus. Sie nennen die Entzugserscheinungen SSRI-Absetzungssyndrom (SSRI Discontinuation Syndrome).

Gerhard Gründer vom Zentralinstitut Seelische Gesundheit fordert: „Ärzte sollten SSRI auf die Liste derjenigen Medikamente setzen, die Entzugserscheinungen beim Absetzen hervorrufen.“ Die genauen Hintergründe, warum SSRI-Patienten beim Absetzen ihrer Medikamente dermaßen massive Probleme bekommen, sind noch nicht erforscht.

„Die Zeit“ schreibt: „Man vermutet inzwischen, dass die SSRIs, wenn sie über eine längere Zeit eingenommen werden, etwas im Körper verändern, was dann zu den Beschwerden beim Absetzen führt. Der Hauptwirkungsmechanismus von SSRIs gegen die Depression, so vermuten Forscher, besteht in einer Blockade von sogenannten Serotonin-Transportern in Nervenzellen im Gehirn. Serotonin ist ein Botenstoff, er wird von Nervenzellen ausgeschüttet und anschließend über die Transporter wieder aufgenommen. Werden die Transporter blockiert, bleibt das Serotonin länger im sogenannten synaptischen Spalt, der zwischen zwei Nervenzellenden liegt, und kann dort weiterwirken. SSRIs verstärken also die Wirkung des körpereigenen Serotonins. Mittel- und langfristig, so stellt man sich vor, werden durch das vermehrte Angebot aber Serotonin-Rezeptoren, also diejenigen Moleküle, an denen Serotonin bindet und wirkt, herunterreguliert. Vereinfacht gesagt bedeutet das: Die Empfindlichkeit des Körpers gegenüber dem Botenstoff Serotonin verringert sich.“

Gründer sagt: „Im Grunde schluckt man mit einem SSRI eine Blackbox.“

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