Cimetidin ist vielen Apotheker:innen und PTA nur noch begrenzt bekannt. Denn das bereits in den 1970er-Jahren eingeführte H2-Antihistaminikum hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung verloren; Hintergrund sind die teils schwerwiegenden Nebenwirkungen sowie die vielfältigen Interaktionen mit anderen Wirkstoffen. In den meisten Fällen werden daher bei säurebedingten Beschwerden mittlerweile Protonenpumpenhemmer verordnet. Nur der Rückruf von Ranitidin sorgte 2019 für einen kurzen Nachfrageschub. Dennoch – sollte Cimetidin vom Markt verschwinden, so würde das für einige Patient:innen die Therapie einschränken.
Cimetidin wird laut den Fachinformationen zur Behandlung von Erkrankungen im oberen Magen-Darm-Bereich, bei denen eine Verringerung der Magensäuresekretion angezeigt ist, eingesetzt. Dazu zählen Leiden wie Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi und Rezidivulcera nach Operationen. Auch bei der peptischen Refluxösophagitis, dem Zollinger-Ellison- und beim Mendelson-Syndrom kommt der H2-Antagonist zum Einsatz. Trotz der umfangreichen Einsatzgebiete gehen die Verschreibungszahlen allerdings stetig zurück.
Laut Arzneiverordnungsreport wurden 2020 rund 790.000 Tagestherapiedosen (DDD) Cimetidin verschrieben – ganz unbedeutend ist der Arzneistoff also nicht. Dennoch: Vergleicht man die Zahlen mit denen von Omeprazol und Pantoprazol wird schnell klar, wohin die Reise gegangen ist. So wurden im Jahr 2020 627,4 Millionen DDD Omeprazol und 2833 Millionen DDD Pantoprazol verschrieben. PPI, darunter vorrangig Pantoprazol, sind für viele Mediziner:innen das Mittel der Wahl, wenn es um säurebedingte Magen-Darm-Beschwerden geht. Cimetidin zeigt nämlich kein gutes Nebenwirkungspotenzial. Zu den möglichen unerwünschten Ereignissen gehören Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Juckreiz, Muskel- und Gelenkschmerzen. Im Einzelfall entwickeln Anwender:innen Suizidgedanken oder Depressionen.
Noch ist Cimetidin sowohl in Tabletten- als auch in Injektionsform verfügbar, wenn auch nur noch begrenzt. Oral stellt nur noch ein Hersteller Präparate zur Verfügung. Würde Cimetidin vollständig vom Markt genommen werden, so müssten Fachinformationen überarbeitet und Off-Label-Versuche gestoppt werden. Cimetidin findet sich beispielsweise als Begleitmedikation in den Fachinformationen zu Paclitaxel. Vor der Anwendung dieser Chemotherapie müssen alle Patient:innen 300 mg des H2-Antagonisten 30 bis 60 Minuten vor der Infusion bekommen. Da Cimetidin ein Inhibitor mehrerer Isoenzyme von Cytochrom P450 ist, besteht generell ein erhöhtes Risiko für Interaktionen. Alternativ kann Famotidin zum Einsatz kommen. Dieser Wirkstoff wird aktuell noch von Ratiopharm und Stada vermarktet.
Cimetidin wird auch außerhalb der zugelassenen Indikationen eingesetzt. So kann der Arzneistoff beispielsweise für Patient:innen eine Therapieoption, die unter dem PFAPA-Syndrom (Periodisches Fieber mit Aphthöser Stomatitis, Pharyngitis und Adenitis) leiden. Betroffene leiden unter wiederkehrenden Fieberschüben. Meist tritt die Erkrankung bei Kindern auf. Begleitet werden die Fieberschübe von Müdigkeit, Schüttelfrost Bauch-, Kopf- und Halsschmerzen, Mundgeschwüren und geschwollenen Lymphdrüsen. Der H2-Rezeptor-Antagonist kann die Beschwerden lindern. Der genaue Wirkmechanismus ist allerdings nicht geklärt. Bekannt ist, dass Cimetidin immunmodulatorische Eigenschaften aufweist.
Auch im Gepäck eines Notarztes kann sich Cimetidin befinden. Gemeinsam mit einem H1-Antihistaminikum kann es prophylaktisch bei bestehendem Risiko zu histaminbedingten Allergien verabreicht werden. Cimetidin kann darüber hinaus Magensäureaspirationen und Schleimhautläsionen verhindern. Da Cimetidin stärker als andere Vertreter der Gruppe ZNS-gängig ist, muss die erhöhte Gefahr von Nebenwirkungen beachtet werden.
APOTHEKE ADHOC Debatte