Wadenkrämpfe

Chininsulfat: Eingeschränkt durch Leitlinie?

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Berlin -

Lange Zeit war Limptar (Chininsulfat, Cassella-med) als OTC-Produkt in Apotheken erhältlich. Seit 2015 unterliegt es jedoch der Verschreibungspflicht. Die Leitlinien empfehlen die Anwendung von Chininsulfat erst, wenn alle behandelbaren Ursachen ausgeschlossen und ein Therapieversuch mit Magnesium gescheitert ist. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch den positiven Einfluss – und spricht für einen weniger beschränkten Einsatz bei schweren Wadenkrämpfen.

Chininsulfat kommt bei nächtlichen Wadenkrämpfen nur eingeschränkt zum Einsatz: Es wird laut Fachinformation zur Therapie und Prophylaxe nächtlicher Wadenkrämpfe bei Erwachsenen eingesetzt, wenn diese sehr häufig oder besonders schmerzhaft sind. Zudem müssen behandelbare Ursachen der Krämpfe ausgeschlossen werden, nicht-pharmakologische Maßnahmen dürfen die Beschwerden nicht ausreichend lindern.

2015 wurde der Rx-Switch von Chinin vollzogen: Grund dafür waren schwere unerwünschte Wirkungen wie kardiale Reizleitungsstörungen, immunologisch vermittelte Hepatitiden und Nephritiden sowie zentralnervöse Hör- und Sehstörungen. Außerdem besitzt Chinin dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zufolge ein Missbrauchspotenzial: In Kombination mit dem Antidiarroikum Loperamid soll es auch in der Drogenszene eingesetzt werden. In einigen anderen Ländern – unter anderem Australien, Neuseeland und den USA – ist Chinin aufgrund der Risiken für die Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe überhaupt nicht mehr zugelassen.

Aufgrund der kardialen Nebenwirkungen werden in der Fachinformation zahlreiche Kontraindikationen genannt: Bei hämolytischer Anämie, Myasthenia gravis, Tinnitus, Vorschädigungen des Sehnervs, Hypokaliämie, Herzrhythmusstörungen, schwerer dekompensierter Herzinsuffizienz oder QT-Intervall-Verlängerung sowie bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die Torsade de pointes-Tachykardien hervorrufen oder das QT-Intervall verlängern können, ist die Anwendung von Chinin nicht angezeigt.

Um Wadenkrämpfen vorzubeugen, empfiehlt die Leitlinie regelmäßige Dehnübungen der Muskulatur, beispielsweise durch Beugen und Strecken des Fußes. Auch im Akutfall soll die Dehnung helfen können, den Krampf zu lösen. Zudem wird die Einnahme von Magnesium empfohlen: Das Mineral soll die Membran stabilisieren und Aktionspotenziale reduzieren. Für beide Empfehlungen gibt es jedoch keine eindeutigen Nachweise zur Wirksamkeit.

Reichen Dehnübungen nicht aus und ist ein Therapieversuch mit Magnesium gescheitert, empfiehlt die Leitlinie die Einnahme von Chininsulfat. Eine aktuelle multizentrische prospektive nicht-interventionelle Studie untersuchte die Verträglichkeit von Chininsulfat sowie den Einfluss auf die Symptome bei Erwachsenen mit nächtlichen Wadenkrämpfen.

Knapp 600 Patienten wurden zwei Wochen mit einer Tagesdosis von 200 mg Chininsulfat therapiert: Dauer und Schmerzintensität nahmen bei der Mehrzahl der Patienten ab. Außerdem gaben sie an, dass sich Lebens- und Schlafqualität verbessert habe. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten nur bei 5,9 Prozent der Teilnehmer auf, darunter kam es zu keinen schweren unerwünschten Nebenwirkungen. Selbst unter den Patienten, die zusätzlich Betablocker einnahmen, waren die Nebenwirkungen vergleichbar mit denen Patienten, die keine Betablocker einnahmen. Der Erstautor der Studie hält daher einen weniger eingeschränkten Einsatz für möglich.

Vor allem zu Beginn der Einnahme kann es zu allergischen Reaktionen wie Urtikaria, Juckreiz, Fieber, Angioödem, Bronchospasmus, Leberfunktionsstörungen oder Anaphylaxie kommen. Chinin kann in Einzelfällen zu schweren Blutbildveränderungen wie Thrombozytopenien führen. Beim Auftreten von Symptomen, die auf eine Thrombozytopenie hinweisen, ist das Arzneimittel sofort abzusetzen. Die Behandlung sollte alle drei Monate unterbrochen werden, um die Notwendigkeit für eine weitere Behandlung zu überprüfen.

Wadenkrämpfe scheinen zunächst ein harmloses Beschwerdebild zu sein: Zwar gehen sie mit plötzlichen, starken Schmerzen einher, jedoch sind sie meist nicht von langer Dauer. Problematisch wird es jedoch, wenn die Krämpfe häufiger auftreten und besonders intensiv sind: Denn dann können sie das Schlafverhalten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken.

Ausgelöst werden die schmerzhaften Verhärtungen meist nicht durch die Muskulatur selbst, sondern durch die Nerven: Spontane Depolarisierungen der Nervenmembranen sorgen für Aktionspotentiale, die eine starken Erregung im Muskel zur Folge haben. Diese Elektrolytverschiebungen erhöhen die Empfindlichkeit der Nerven: Dadurch wird ein erneutes Auftreten begünstigt. Besonders häufig treten Wadenkrämpfe bei Diabetikern auf, die bereits Nervenschäden aufweisen. Außerdem können Medikamente, Alkohol und ein Vitamin B-Mangel zu Wadenkrämpfen führen.

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