Die Substanz Chinin – welche eng verwandt mit Hydroxychloroquin und Chloroquin ist – könnte Forscher:innen der Universitätskliniken Tübingen und Erlangen-Nürnberg zufolge eine vielversprechende Therapieoption bei Covid-19 darstellen. Bestimmte Eigenschaften, die den Wirkstoff im Vergleich zu den anderen Molekülen für die Behandlung der Malaria weniger effektiv machen, könnten dabei ausschlaggebend sein und ihn in der Bekämpfung von Sars-CoV-2 nach vorne bringen.
Ursprünglich wird das Alkaloid Chinin aus dem tropischen Cinchona-Baum gewonnen. Entsprechende Präparate sind bereits seit vielen Jahren auf dem Markt, der bekanntester Vertreter ist Limptar N (Cassella-med). Auch in verschiedenen Getränken ist Chinin als Bitterstoff enthalten. Das Forscherteam konnte dem Wirkstoff in menschlichen Zellkulturen nun antivirale Eigenschaften zusprechen, die bei Covid-19 zum Tragen kommen könnten. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen wurden im Fachjournal „Viruses“ veröffentlicht.
„Da chininhaltige Präparate bereits seit langer Zeit auf dem Markt sind, könnten diese eine einfache und kostengünstige Behandlungsmöglichkeit darstellen“, erklären die Forscher:innen. Zu Beginn der Pandemie waren vor allem die verwandten Substanzen Hydroxychloroquin und Chloroquin als Hoffnungsträger in den Fokus geraten. Nachfolgende Studien konnten jedoch keine Wirksamkeit ermitteln. Beide Substanzen werden vor allem als Malariamedikament eingesetzt. Chinin verfügt im Vergleich über Eigenschaften, die es in dieser Indikation weniger effektiv machen. Dafür könnte es im Kampf gegen Sars-CoV-2 jedoch effektiver sein: „Ebendiese Unterschiede könnten aber vorteilhaft bei der Therapie von Sars-CoV-2 sein“, erläutern die Forscher:innen.
Denn Chinin ist weniger toxisch als Hydroxychloroquin, erreicht jedoch wesentlich schneller höhere Plasmaspiegel, erklärt Professor Dr. Michael Schindler vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Tübingen. „Deshalb testeten wir in verschiedenen Zellkultursystemen, ob Chinin antivirale Aktivität gegen Sars-CoV-2 hat und wie potent der Wirkstoff im Vergleich zu Hydroxychloroquin und Chloroquin abschneidet.“
Bei den durchgeführten Experimenten konnte Chinin in verschiedenen menschlichen Zellkultursystemen Sars-CoV-2 hemmen. Dabei zeigten sich relativ große Unterschiede in den benötigten Konzentrationen – je nach Art der Zellen. „Wichtig hierbei ist jedoch anzumerken, dass Chinin in allen Systemen ähnlich effektiv wie Hydroxychloroquin die Vermehrung von Sars-CoV-2 hemmt“, so Professor Dr. Ulrich Schubert, Virologe aus Erlangen.
Im weiteren Verlauf berechnete das Team die für eine Virushemmung notwendige Konzentration. Außerdem wurde sie mit der Menge an Chinin verglichen, die nach Einnahme im Blutplasma ermittelt wird. Das Ergebnis: Chinin erreicht im Vergleich zu Hydroxychloroquin bis zu 20-fach höhere Plasmaspiegel. „Somit hat Chinin eine deutliche antivirale Wirkung gegen Sars-CoV-2, ein besseres Toxizitätsprofil in vitro und eine vorhersagbar bessere Plasmaverfügbarkeit im Vergleich zu Hydroxychloroquin und Chloroquin“, schlussfolgert das Forscherteam in seiner Veröffentlichung. Chinin könne somit eine breit anwendbare und günstige Therapieoption darstellen, um bei Menschen mit milden Covid-Verläufen eine schwere Erkrankung zu verhindern.
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