Blutgerinnungsstörungen

Caplacizumab: Zielgerichtet gegen Mikrothromben APOTHEKE ADHOC, 29.11.2019 14:52 Uhr

Unterbindung von Mikrothromben: Caplacizumab setzt im Gegensatz zu bisherigen Maßnahmen gezielt am entscheidenden Punkt der aTTP an. Foto: Pixabay
Berlin - 

Die erworbene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (aTTP) zählt zu den seltenen Blutgerinnungsstörungen. Unbehandelt sterben neun von zehn Patienten an der Erkrankung. Cablivi (Caplacizumab, Sanofi) stellt derzeit die erste spezifische Therapie in Kombination mit Plasmapherese und Immunsuppression dar.

Im August 2018 erhielt Cablivi die EU-Zulassung als Ergänzung zur Standardtherapie bei Erwachsenen mit einer aTTP-Episode. Bis dato bestand die Standardtherapie der aTTP aus einer Kombination von Immunsuppression und täglichem Plasmaaustausch. „Caplacizumab hat sich bereits jetzt als unverzichtbare Therapiesäule bei aTTP etabliert“, erklärte nun Prof. Dr. Jan Menne von der Medizinischen Hochschule in Hannover.

Im Gegensatz zu den bisherigen Maßnahmen setze Caplacizumab gezielt am entscheidenden Punkt der Erkrankung an – der mikrovaskulären Thrombenbildung. Diese seien verantwortlich für die akuten thrombotischen Komplikationen zu denen Schlaganfälle, Herzinfarkte und Niereninsuffizienz, sowie die hohe Akutmortalität bei aTTP zählen. Der Nanobody wird als intravenöse Injektion zu 10 mg Caplacizumab vor der Plasmapherese verabreicht. Prof. Dr. Paul Brinkkötter von der Uniklinik Köln erläuterte die Effekte: „Unter Caplacizumab kommt es, im Vergleich zur Standardtherapie allein, zu einer schnelleren Normalisierung der Thrombozytenzahl.“ Dies führe zu deutlich weniger Rezidiven und verringere die Zahl der notwendigen Plasmapheresen, erklärt er weiter.

„Idealerweise muss niemand mehr an aTTP sterben“, sagte Menne. Denn die Zulassungsstudien lassen auf eine deutliche Verringerung der Mortalität hoffen: Unter Placebo starben während der Behandlungsphase vier Patienten an aTTP, unter Caplacizumab keiner. Caplacizumab hat außerdem eine gute Verträglichkeit: Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, sowie mildes und rasch abklingendes Nasen- oder Zahnfleischbluten.

 

Die Hercules-Studie ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie mit 145 aTTP-Patienten. Die Teilnehmer wurden entweder mit Caplacizumab (72) oder Placebo (73) in Kombination mit der Standardbehandlung bestehend aus Plasmaaustausch und Immunsuppression behandelt. Caplacizumab reduzierte signifikant die Zeit bis zur Normalisierung der Thrombotyzenzahl bei einer 55 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für ein Ansprechen der Thrombozytenzahl. Zudem erlitten 74 Prozent weniger Probanden ein aTTP-Rezidiv oder schwerwiegende thromboembolische Ereignisse. Drei Marker für Organschäden – Lactathydrogenase, kardiales Troponin I und Serumkreatin – normalisierten sich unter Caplacizumab schneller.

Caplacizumab ist der erste Nanobody aus dem Hause Sanofi und wurde von Ablynx entwickelt. Der humanisierte bivalente Nanokörper hemmt die Interaktion von Thrombozyten und von-Willebrand-Faktor (vWF). Caplacizumab unterbindet sogenannte Mikrothromben, das sind durch von-Willebrand-Faktor vermittelte Plättchenadhäsionen, die für die aTTP charakteristisch ist. Die Bildung der Mikrothromben kann auf eine Autoimmunreaktion gegen das Enzym ADAMTS13 zurückgeführt werden, die deren Spaltung verhindert. Cablivi unterbindet die Interaktion zwischen ULvWF und Thrombozyten, die Bildung der Mikrothromben bleibt aus. Der Arzneistoff vermag die Zahl der Thrombozyten, die Rezidivrate oder auch die Dauer von Krankenhausaufenthalten zu reduzieren. Gleichzeitig werden der Faktor-VIII-Spiegel reduziert und der Gesamt-vWF-Antigenspiegel verringert.

Die aTTP ist eine lebensbedrohliche immunvermittelte Blutgerinnungsstörung, die durch eine starke Gerinnselbildung in den kleinen Blutgefäßen des gesamten Körpers gekennzeichnet ist. Drei bis sieben Patienten auf eine Million Menschen erkranken. Die seltene Erkrankung tritt akut auf und ist von lebensbedrohlichen Episoden gekennzeichnet, die für bis zu 20 Prozent der Betroffenen tödlich enden. Die Folgen einer aTTP können schwere Thrombozytopenie, Ischämie und Organschäden – insbesondere von Herz und Gehirn – sein.