Neuropathische Schmerzen

Cannabis erstmals in Leitlinie aufgenommen

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Berlin -

Die S2k-Leitlinie zur Diagnose und Therapie neuropathischer Schmerzen wurde überarbeitet: Neben den bisherigen Klassikern in der Neuropathie-Behandlung wurde nun auch die Cannabinoid-Verordnung aufgenommen und Empfehlungen zu nicht-medikamentösen Behandlungsoptionen gemacht.

Bei der Schmerzwahrnehmung fungieren die Nervenbahnen eigentlich nur als Übermittler. Anders sieht es bei neuropathischen Schmerzen aus: Denn hier verursacht das Nervensystem selbst die Schmerzen. Ursache dafür sind Schädigungen oder Erkrankungen des Nervensystems. Daher kommt bei Nervenschmerzen auch eine andere Therapie zum Einsatz als bei der herkömmlichen Schmerzbehandlung – denn „normale“ Analgetika helfen nicht.

Etwa 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung leiden unter neuropathischen Schmerzen. Die neue S2K-Leitlinie zeigt, wie die verschiedenen Schmerzarten abzugrenzen sind und welche Behandlungsmöglichkeiten eingesetzt werden können. Oft ist die medikamentöse Behandlung schwierig, da die Patienten unterschiedlich auf verschiedene Wirkstoffe ansprechen.

Mittel der 1. Wahl sind die Antikonvulsiva Pregabalin und Gabapentin mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle, trizyklische und tetrazklische Antidepressiva sowie der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer Duloxetin, welcher jedoch nur zur Behandlung der diabetischen Neuropathie zugelassen ist. Sinnvoll sind zudem Kombinationstherapien, da die einzelnen Wirkstoffe und ihre Nebenwirkungen reduziert werden können und synergistische Effekte möglich sind.

Als Zweitlinientherapie kann gemäß der Leitlinie Tramadol verwendet werden, das über eine noradrenerge und serotonerge Wiederaufnahme-Hemmung auf das Schmerzempfinden Einfluss nimmt. Als Medikamente der 3. Wahl werden hochpotente Opioide empfohlen. Der Einsatz von Opioiden wird der Leitlinie zufolge zwar ebenfalls als wirksam eingestuft, allerdings sollten hier Nebenwirkungen und Abhängigkeitspotenzial beachtet werden.

Nur in Einzelfällen empfohlen wird aufgrund der geringen Evidenz und häufigen Nebenwirkungen der Einsatz von Oxcarbazepin und Carbamazepin. Letzteres bleibt jedoch bei der Trigeminusneuralgie weiterhin Mittel der 1. Wahl. Vom Einsatz von Benzodiazepinen, Baclofen, NMDA-Rezeptor-Antagonisten und Nicht-Opioidanalgetika wie NSAR, COX-2-Inhibitoren, Paracetamol oder Metamizol wird in der Leitlinie abgeraten.

Cannabinoide werden in der neuen Leitlinie ebenfalls erstmals erwähnt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass keine der Substanzen für die Schmerz-Indikation zugelassen ist: Die Therapie erfolgt somit off-label. Der Einsatz wird daher nur in Einzelfällen empfohlen, wenn andere Schmerztherapien bereits versagt haben.

Topisch wird eine Behandlung mit 5-prozentigen Lidocain- oder 8-prozentigen Capsaicinpflastern als wirksam beschrieben. Auch nicht medikamentöse Behandlungsformen wurden aufgenommen: Neben der transkutanen elektrischen Stimulation (TENS) gilt die multimodale Schmerztherapie als sinnvoll: Neben Ergo- und Physiotherapie kann auch eine Schmerzpsychotherapie helfen mit dem Schmerz besser umzugehen.

Ebenfalls wurde ein neuer Begriff definiert – die „noziplastischen Schmerzen“. Sie sind durch eine pathologische Wahrnehmung eines Schmerzreizes definiert – allerdings ohne dass eine bestehende Gewebeschädigung oder Erkrankung als Ursache nachgewiesen werden konnte. Die aktualisierte Leitlinie übernahm den Begriff des „noziplastischen Schmerzes“ neben den bisher bekannten Bezeichnungen der neuropathischen und nozizeptiven Schmerzen.

Neuropathische Schmerzen können sowohl von einzelnen Nerven wie auch von mehreren ausgehen – bei Letzterem spricht man daher von einer sogenannten „Polyneuropathie“. Die häufigste Ursache ist Diabetes mellitus, bei dem eine solche Neuropathie als Folgeerkrankung auftritt.

Außerdem können Nierenschäden und Nervenschädigungen durch toxische Substanzen wie Alkohol, sowie Infektionskrankheiten wie Borreliose zu Neuropathien führen. Es kommt zu Sensibilitätsstörungen wie unangenehmem Kribbeln, schmerzhaften Missempfindungen oder Taubheitsgefühlen. Außerdem sind Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheit oder fehlende Muskelreflexe möglich.

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