Cannabidiol bei Reizdarm? Deniz Cicek-Görkem, 22.11.2018 11:53 Uhr
Cannabidiol (CBD) wird derzeit große Beachtung geschenkt, sowohl unter Patienten als auch unter Forschern, da der Substanz gesundheitsfördernde und entzündungshemmende Effekte zugesprochen werden. US-Wissenschaftler wollen nun prüfen, ob der Inhaltsstoff der Cannabispflanze auch beim Reizdarmsyndrom wirksam ist.
Im US-Bundesstaat Pennsylvania begann kürzlich eine klinische Pilotstudie mit CBD, die von der kanadischen Firma FSD Pharma in Auftrag gegeben wurde. Das Unternehmen forscht zu neuartigen Cannabinoidtherapien zur Behandlung unter anderem von chronischen Schmerzen, Fibromyalgie und Reizdarmsyndrom. Das entwickelte CBD-Kombinationsprodukt „Steady Stomach” soll zunächst bei Patienten mit Reizdarmsyndrom eingesetzt werden.
Dem Hersteller zufolge ist das Präparat „eine zum Patent angemeldete Kombination von Cannabidiol (CBD) zusammen mit zusätzlichen synergistischen Faktoren, die die entzündungshemmenden Eigenschaften von CBD potenziert und aktiviert”. Dadurch soll es wirksamer in der Behandlung des Reizdarmsyndroms sein. In den westlichen Ländern sind etwa 10 bis 20 Prozent der Menschen von dieser Funktionsstörung des Darms betroffen, was bei den Patienten häufig zu einer Verminderung der Lebensqualität führt. Zu den Symptomen zählen unter anderem Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung sowie Blähungen.
Die Wissenschaftler wollen in diesem Rahmen Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit des Präparates generieren. Es handelt sich hier um eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie im Cross-over-Design. Da die Patientenpopulation relativ gering ist, dürften weitere groß angelegte Studien notwendig sein, um statistisch signifikante Aussagen zu treffen und den medizinischen Nutzen zu belegen. Die Studie baue auf den zuvor gesammelten Daten zur Wirksamkeit aus einer präklinischen Studie im Nagetiermodell auf, die bei Anwendung des Kombinationsprodukts im Vergleich zu CBD allein eine dreifach höhere Wirksamkeit bei der Senkung der abdominalen Entzündungswerte zeigten.
Wie sehen die pharmakologischen Wirkungen aus? CBD ist ein Antagonist am G-Protein-gekoppelten Cannabinoidrezeptor GPR55 und blockiert den zellulären Ionenkanal TRMP8, α1-Adrenozeptor und µ-Opioidrezeptor. Weiterhin verhindert die Substanz den Abbau des endogenen Cannabinoids Anandamid, da das Enzym Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) inhibiert wird. Weitere Effekte sind Blockade von Calciumkanälen sowie Inhibition der Wiederaufnahme von Botenstoffen.
CBD ist im Fokus der Wissenschaft, das Interesse am therapeutischen Potenzial nimmt weltweit stetig zu. Die Substanz kann in verschiedenen Indikationen medizinische Anwendung finden, denn sie besitzt neben den antiepileptischen auch angstlösende, antipsychotische und entzündungshemmende Eigenschaften. Zudem ist ein Einsatz bei Übelkeit und Erbrechen sowie zur Appetithemmung möglich. Die denkbaren Indikationsgebiete bedürfen jedoch einer ärztlichen Überwachung und individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung.
Das Cannabinoid ist in deutschen Apotheken auch als Rezepturarzneimittel bekannt. Wenn der Ausgangsstoff der DAC-Monographie entspricht, können Rezepturen nach NRF-Vorschriften hergestellt werden. Dazu gehört die „Ölige Cannabidiol-Lösung 50 mg/ml oder 100mg/ml“ gemäß NRF 22.10. Als Arzneimittel ist die Substanz rezeptpflichtig und muss vom Arzt verschrieben werden. Ein Betäubungsmittelrezept wird nicht benötigt.
Die Lösung kann unter anderem bei bestimmten Epilepsie-Formen (Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom), bei Multipler Sklerose und anderen Anwendungsgebieten eingesetzt werden. Ein zugelassenes Arzneimittel mit Cannabidiol als Wirkstoff ist Epidiolex von GW Pharmaceuticals, allerdings zurzeit nur in den USA erhältlich. Das Unternehmen hat auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einen Zulassungsantrag für das Medikament eingereicht. Die Entscheidung wird für 2019 erwartet.