Kommt sie doch, die „Pille für den Mann“? Calcineurin-Inhibitoren wie Ciclosporin sollen die Zeugungsfähigkeit des Mannes vorübergehend herabsetzen können. Dies haben japanische Forscher im Fachjournal „Science“ veröffentlicht. Der Mechanismus könnte ein neuer Ansatz für die Entwicklung der Pille für den Mann sein.
Unverhofft kommt oft. Die japanische Forschergruppe um Professor Dr. Masahito Ikawa hatte sich eigentlich mit immunologischer Grundlagenforschung beschäftigt. Dabei war ihr aufgefallen, dass im Erbgut von Säugetieren gleich mehrere Gene für die Produktion von Calcineurin verantwortlich sind. Eines davon ist ausschließlich im Sperma zu finden.
„Wir waren einfach nur neugierig, was die Funktion dieses Sperma-Calcineurins ist", erklärt der Forscher. Die Gruppe entwickelte Knockout-Mäuse, denen das Gen zur Calcineurin-Expression fehlte. Das Ergebnis: die Spermien hatten eine steife Geißel, die die Bewegungsfähigkeit stark einschränkt. Unfruchtbarkeit war die Folge des lahmen Spermas, den Mäusen blieb der Nachwuchs aus.
Daraus ergibt sich ein neuer Ansatz für die Entwicklung von Kontrazeptiva für den Mann: die medikamentöse Inhibition des Sperma-Calcineurins. Die Wissenschaftler behandelten daraufhin männliche Mäuse mit dem Calcineurin-Inhibitor Ciclosporin – mit Erfolg: Etwa zwei Wochen später war die Reproduktionsfähigkeit der Versuchstiere vollständig unterbunden. Nach Absetzen von Ciclosporin wurden innerhalb von einer Woche wieder voll funktionstüchtige Spermien produziert.
Ciclosporin-haltige Medikamente werden bislang nach Transplantationen sowie bei Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Glomerulonephritis, Hauterkrankungen wie Psoriasis und chronischen Entzündungszuständen der Bindehaut und der Cornea angewendet. Die stark immunsuppressive Wirkung kommt einher mit einer Reihe schwerer Nebenwirkungen wie Nierenfunktionsstörungen, Anorexie, Tremor, Diarrhoe, Schwindel und Erbrechen. Über eine Verringerung der Fertilität wurde bisher nicht berichtet.
Dass die Entwicklung von Calcineurin-Inhibitoren als Kontrazeptivum für den Mann noch eine Weile dauern kann, ist den Forschern bewusst. „Wir müssen ein Medikament entwickeln, dass das Immunsystem nicht beeinträchtigt“, sagt Ikawa. Mögliche Kandidaten könnten bereits vorhanden sein: Ciclosporin-Derivate, die bei der Entwicklung der heute zugelassenen Medikamente wegen mangelnder Wirkung auf das Immunsystem nicht berücksichtigt wurden, könnten potentiell eine selektive Wirkung auf das Sperma-Calcineurin aufweisen.
Calcineurin ist eine Proteinphosphatase, die in der Regulation des Immunsystems eine wichtige Rolle spielt. Es greift in die Transkriptionsvorgänge verschiedener Gene des Immunsystems ein. Dabei ist es unter anderem dafür verantwortlich, dass die Immunantwort aktivierter T-Zellen aktiviert und verstärkt wird. Der Einfluss auf die Bewegungsfähigkeit von Spermien war bislang noch nicht bekannt.
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