Bundesregierung: Schädigung durch Duogynon nicht belegt APOTHEKE ADHOC, 27.11.2018 13:42 Uhr
Die Gestagen-Östrogen-Kombination Duogynon steht seit Jahrzehnten im Verdacht, für schwere Fehlbildungen bei ungeborenen Kindern verantwortlich zu sein. Bereits in den 60er-Jahren wurden erste Hinweise auf die unerwünschte Arzneimittelwirkung veröffentlicht. Untersuchungsergebnisse der letzten Jahre zeigen jedoch keinen Zusammenhang. Den Standpunkt vertritt auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Die Abgeordneten fragten zu Duogynon als Ursache embryonaler Fehlbildungen und die Entschädigung der Betroffenen. Das Arzneimittel war als Injektionslösung (Estradiolbenzoat 3 mg/Progesteron 50 mg) und Dragee (Ethinylestradiol 0,02 mg/Norethisteronacetat 10 mg) auf dem Markt. Die Schering AG hatte die Kombination zur Behandlung ausbleibender Regelblutung und als hormonellen Schwangerschaftstest von 1950 bis 1981 vertrieben, so die Fraktion in ihrer Anfrage. Tierversuche, die Schering 1969 selbst durchführte, konnten einen Zusammenhang zwischen der Anwendung des Hormonpräparates und Schädigungen des Embryos nicht ausschließen.
In Großbritannien wurde Duogynon schließlich 1970 die Zulassung als Schwangerschaftstest entzogen. In Deutschland strich Schering für die Arzneimittel 1972 (Dragees) und 1978 (Injektionslösung) die Indikation. Fortan waren die Arzneimittel noch zur Behandlung der sekundären Amenorrhoe von kurzer Dauer unter einem Jahr. Im September 1980 sind die Zulassungen schließlich erloschen.
Noch heute sollen schätzungsweise in Deutschland 400 bis 600 Betroffene vergeblich um Anerkennung, Aufklärung und finanzielle Entschädigung kämpfen. Laut einem Bericht von 1967 soll es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Primodos und der Neuralrohrfehlbildung Spina bifida gegeben haben. Eine Studie aus dem Februar zeigt einen Zusammenhang zwischen der Hormonkombination und Missbildungen bei Zebrafischembryonen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) kam im Oktober zu dem Schluss, dass die Studie nicht geeignet sei, einen teratogenen Effekt der Wirkstoffkombinationen zu zeigen. „Es bestehe weiterhin keine Evidenz, dass die Kombination aus NA/EE fötale Missbildungen in nicht-reproduktiven Geweben verursache“.
Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in früheren Stellungnahmen festgehalten, „dass die vorhandenen Daten keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Anwendung eines hormonellen Schwangerschaftstests wie zum Beispiel Primodos beziehungsweise Duogynon während der Frühschwangerschaft und unerwünschten Effekten wie Fehlgeburt, Totgeburt oder angeborenen Missbildungen erkennen lassen.“
„Die Bundesregierung schließt sich dieser wissenschaftlich geleiteten Einschätzung an: Vor dem Hintergrund der dargestellten Daten- und Faktenlage kann ein Zusammenhang zwischen den oben genannten hormonellen Schwangerschaftstests während der Frühschwangerschaft und unerwünschten Effekten wie Fehlgeburt, Totgeburt oder angeborenen Missbildungen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, erscheint jedoch unwahrscheinlich.“ Die Bundesregierung sieht folglich zum jetzigen Zeitpunkt „keine Veranlassung, weitere, aufwändige Untersuchungen alter Aktenbestände durchzuführen oder in Überlegungen zu einem Entschädigungsfonds oder Entschädigungszahlungen an mutmaßlich Duogynon/Primodos-geschädigte Patientinnen oder Patienten einzutreten.“
„In mehreren Untersuchungen konnte den Angaben zufolge ein Zusammenhang zwischen der Nutzung des Schwangerschaftstests und Fehlgeburten, Totgeburten oder Missbildungen nicht bewiesen werden.“ Großbritannien hat im Frühjahr 2018 eine weitere unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt. Der Bericht der Kommission mit den entsprechenden Empfehlungen soll voraussichtlich 2019 erstellt werden. Die Untersuchung werde von deutscher Seite aufmerksam verfolgt.